Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 19. Juni 2011

Pfarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad

Jesaja 6, 1 – 4

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen
auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel.
2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel:
Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße (Scham)
und mit zweien flogen sie.
3 Und einer rief zum andern und sprach:
Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!
4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch.


Liebe Schwestern und Brüder,

dieser Text ist der 1. Teil des morgigen Predigttextes (zu Trinitatis 2011).
Und in seiner Mitte hören wir den Wochenspruch für die Woche, die mit dem morgigen Sonntag beginnt.
Der Text nimmt uns hinein in eine Gotteserfahrung des Propheten, eine umwerfende Erfahrung.
Wir erleben sie mit, quasi durch die Augen und Ohren des Propheten, erleben seine Empfindungen und Erfahrungen mit, schauen und hören mit ihm.

1. Der Tod des König Usija und die Erscheinung des königlichen Herrn im Tempel

Ein fast programmatischer Beginn:
der Tod des Königs und dann die Erscheinung des HERRN (HERR, nicht Jahwe!) über Leben und Tod, des himmlischen Königs, so beginnt unser Text. Und zeigt damit, wer der wahre König ist.

2. Vision des Propheten in Bildern seiner Zeit

Bilder des Tempelkultes:
Der HERR (Adonaj) erscheint im Tempel, und doch übersteigt seine Größe diesen,
sprengt gewissermaßen das Bild, schon der Saum seines Mantels füllt den Tempel.
Der Raum ist entgrenzt, grenzenlos.
Serafim, Engelwesen, umgeben den HERRN, Gott,
sie verhüllen ihr Angesicht vor Gott, vor dem Glanz Gottes - ebenso wie Menschen (Elia,Mose) es tun mussten -.
Wir erinnern uns,
Mose musste sein Haupt bedecken nach der Begegnung mit Gott am Sinai, um seine Volksgenossen nicht zu blenden.
Die gewaltige Größe Gottes - man muss sie auf sich wirken lassen … ,
sie ist kaum zu beschreiben, eher zu besingen, wie die Engel es tun:
Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth,
der himmlische König,
mit seinem ganzen - für die Menschen der Jesajazeit selbstverständlichen - Hofstaat.
Heilig, außergewöhnlich, erhaben, geweiht …
unnahbar ist der Heilige, das Heilige, das erschauern lässt.
Was ist uns eigentlich heute noch heilig, tabu …
wo lassen wir Geheimnis Geheimnis sein?
(Wenige sprechen in der evangelischen Liturgie beim Abendmahl noch vom „Geheimnis des Glaubens“)
Heilig, geheimnisvoll, nicht unheimlich, - oder manchmal doch ein wenig (?), so erscheint hier Gott, auf jeden Fall: unfassbar.
Und daraus erwächst Ehrfurcht, Staunen, Bewunderung.
Das sind gerade bei Kindern erste wichtige Haltungen und Erfahrungen, um sie für Glauben zu öffnen.
Jesaja, der Prophet, erlebt hier einen Gott, der unnahbar, unfassbar, ja für ihn trotz der Erscheinung vielleicht auch verborgen ist.
Von solchen Erfahrungen erzählt die Bibel viel, und wir können oft nicht sagen: so ist Gott,
aber, so erleben wir ihn, so erleben wir sein Tun und Lassen - und können es nicht verstehen.
Die angemessene Reaktion darauf:
das anbetende, preisende liturgische Gebet, das preisende Singen, wie es auch in vielen Werken der Kirchenmusik, die Psalmen aufnehmend, zum Ausdruck kommt.
Lobpreis und Klage, beides in jeder „ehrfürchtigen“ Form sind angemessen.
Denn mit dem Gott, den hier Jesaja erlebt, kann man nicht so einfach per Du sein.

3. Alle Lande sind seiner Ehre voll, so singen die himmlischen Chöre

Ehre, was gemeint ist, ist mit Ehre zu schwach übersetzt.
Buber übersetzt Ehrenschein, im Sinne von Herrlichkeit, Glanz, Schönheit … neudeutsch Ausstrahlung?
Wer glaubt, entdeckt Gottes Wirken in allem und überall:
entdeckt den HERRN über Lebende und Tote!
Ja, Bubers Übersetzung macht es noch deutlicher:
ER, der Umscharte, Füllung alles Erdreichs, sein Ehrenschein!
Gott wirkt bis in den letzten Winkel unserer Welt.
Unser Glaubensbekenntnis nennt Gott deshalb „allmächtig“.

4. Menschliche Erfahrung mit Gott

Die Reaktion des Propheten:
„Weh mir, ich vergehe … „
Es ist so gar nicht die Begegnung mit dem Gott, der einem „lieben, pflegeleichten, weichgespülten“ Gottesbild entspricht - wie so oft heute!
Da bleibt vieles im Dunkeln.
Das würde die Befassung mit dem weiteren Text deutlich zeigen,
und da sind wir nicht so weit weg von manch heutiger Erfahrung.
Wie oft können Menschen ihr Erleben nicht mit ihren oft einseitigen Vorstellungen von Gott zusammen bringen? Das treffe ich im Krankenhaus immer wieder an.
Und dann gilt es aushalten,
dass wir die Motive und den Willen Gottes nicht ergründen können,
dass Gott eben immer wieder auch der ganz Andere ist.
Da heißt es, klagend und staunend (es ist oft beides) dabei stehen, aushalten und neu annehmen, wofür Gott Augen und Herzen öffnet.
Gottes Wirken, Tun und Lassen bleibt Geheimnis, ER ist heilig … .
Wie wichtig wird da Bonhoeffers Wort:
"Ich glaube, dass Gott auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann …"
Der ganze Text zeigt uns eine Seite Gottes, die wir nicht unterschlagen dürfen … ,
auch wenn ER uns dann in Jesus Christus in seiner menschlichsten Seite begegnet.
Aber auch Jesus Christus bringt die Erfahrung des Jesaja mit (Gethsemane - Kreuz).
Und so bleibt für uns seit Ostern:
wir können darauf vertrauen, dass der Heilige, Unnahbare und Unfassbare
uns auch zum Greifen nahe kommt,
in unseren Mitmenschen, aber auch im Heiligen Abendmahl in Brot und Wein,
dass ER uns aufrichtet und um Versöhnung mit uns ringt.
Dann lichtet sich der alles verhüllende Rauch, der Jesaja noch den Blick verhüllt (V.4),
wir bekommen sicheren Grund unter unseren Füßen.
Der Vorhang im Tempel ist zerrissen und macht den Blick frei.
Und für Augenblicke dürfen wir die Nähe dessen schauen, der heilig ist,
und dessen Heiligkeit wir in jedem Abendmahl besingen.
Und deshalb dürfen wir seit Ostern Du zu unserem Gott sagen,
dem so unfassbar Großen und Heiligen und doch in Jesus Christus so Nahen.
Amen.

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