Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 12. November 2011

Pfrarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad

2. Korinther 5, 1 – 10

1 Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden,
3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden.
4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.
5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
6 So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn;
7 denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.
9 Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohl gefallen.
10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.


Liebe Schwestern und Brüder,

der soeben gehörte Text - viele von Ihnen mögen das schon gemerkt haben - endet mit dem Wochenspruch für die kommende Woche, doch nicht ganz.
Da steht in der Lutherübersetzung noch etwas, das macht einem zutiefst von Luthers reformatorischer Erkenntnis geprägten, doch etwas zu schaffen.
War doch Luthers Erkenntnis der Satz aus dem Brief an die Römer:
"So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben".
Wenn es das war, was unsere Väter und Mütter dazu bewogen hat, den zweiten Teil des Verses einfach weg zu lassen, dann ist es für mich unbefriedigend.
"...damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse."
Wenn wir schon - was evangelische Christen heute ja viel zu wenig tun - in der Bibel lesen, dann Zusammenhänge, und nicht Halbverse.
Allenthalben - dass der Vers als Ganzes missverständlich ist, ja sogar missverständlich übersetzt ist, kann ein Grund sein, dass man den Wochenspruch so eingegrenzt hat:
"Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi."

Bevor wir uns aber dem Wochenspruch zuwenden, möchte ich mich dem 2. Teil des Verses zuwenden; er steht immerhin in der Bibel, und soll nicht unter den Tisch fallen.
Luther übersetzt so:
"damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse."

Mit Lohn assoziieren wir Verdienst; das, was dann im Denken zum Begriff der Werkgerechtigkeit führt. Und das mag uns etwas verwirren. Aber was tut man,
wenn man mit einem Text Schwierigkeiten hat? – Man schaut in den Urtext. Ja, wenn man kann, werden manche von Ihnen einwenden, nicht jeder hat den Luxus eines Theologiestudiums genossen.
Richtig! – Aber meist hilft schon weiter, wenn wir verschiedene Übersetzungen konsultieren:
Die Elberfelder Bibel gilt als eine, die ganz nah am Klang des Urtextes ist:
damit jeder empfange, was er durch den Leib <vollbracht>, dementsprechend, was er getan hat, es sei Gutes oder Böses.

Und siehe da: von Lohn ist nicht mehr die Rede, den man für seine Taten empfängt.
Noch genauer steht im griechischen Urtext, den ich etwa so übersetze:
"damit jeder davonträgt entsprechend dem, was er – während seines Körperseins - getan hat, es sei gut oder wertlos".

Und wenn wir jetzt nicht mehr die Kategorien von Lohn und Verdienst anlegen - denn davon steht im Urtext nichts, das ist bereits Interpretation, – dann kommen wir zu einer erweiterten Sicht:
jeder/jede muss damit rechnen, dass er/sie die Folgen seines/ihres Handelns auch tragen muss, – sei das Handeln gut oder böse gewesen.

Wenn wir daraufhin die gesamten Verse 1–10 des 5. Kapitels anschauen, merken wir, worum es Paulus geht.
Er lebt in einer Zeit der Naherwartung, und er muss erleben, dass dies dazu geführt hat, dass die Menschen meinen, sie können sich von der Welt zurückziehen – und einfach warten.
Dagegen wehrt sich Paulus.

Wir leben zwar in Erwartung der nahen Wiederkunft des Herrn, aber wir gestalten unser Leben hier von dieser Zuversicht und Freude, dass wir zu Ihm gehören, in und für diese Welt:
Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim (bei Gott) sind oder in der Fremde (hier auf Erden), dass wir ihm wohl gefallen, setzen wir alles daran, IHM nachzufolgen und nach SEINEN Wegweisungen zu leben und zu handeln, denn daraus wird unsere Haltung zu IHM ersichtlich:
wer auf Ihn vertraut, lebt anders, fragt nicht so sehr nach weltlicher Anerkennung, viel mehr danach, welche Wege ER uns zeigt.

Woran erkennt man den Glauben denn anders, als an den Werken?
Und trotzdem: nicht was wir tun, ist’s, das uns vor Gott gerecht macht, sondern unsere Hingabe an IHN, das Vertrauen zu Gott, unser Glaube.

Und damit sind wir beim Wochenspruch:
Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi – offenbar werden - sich zeigen – nicht mehr verstecken können – das Wort wird auch für die Selbstoffenbarung Gottes verwendet:
es wird etwas aufgedeckt, das könnte weh tun.

Was bleibt, wenn wir unserer weltlichen Dinge entkleidet werden?
Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. (V.4)
Nacktheit erinnert uns an den Sündenfall in der Schöpfung – der Mensch wollte sein wie Gott!

Das Offenbarwerden geschieht vor dem Richterstuhl, der Erhöhung, und der Erhöhte ist z.B. bei Johannes der Gekreuzigte und Auferstandene;
vor dem Richterstuhl Christi – nicht Weltenherrscher sondern Mann am Kreuz.
In Ihm hat sich Gott für diese Welt und in dieser Welt geopfert, ist bei jedem Leidenden, jeder hungernden Kreatur, leidet noch heute.

Wir dürfen unsere Kleider dieser Welt ablegen und werden von Ihm neu eingekleidet,
das ist nach Paulus unser Glaube in dieser Welt.
Christus richtet uns neu aus!
Der Blick auf Christus, das ist der Blick auf den geschundenen Bruder und die bittende Schwester. Sie lenken unseren Blick auf den Mensch gewordenen Gott in Christus.
Dann ist der Wochenspruch weniger ein Hinweis auf das nahe Ende - das sehr individuell auch, – sondern eine immerwährende Mahnung, uns stetig neu ausrichten zu lassen.

Denn das Urteil des Richters ist gesprochen:
„gerechtfertigt aus Gnade“.
Es ist an uns, es durch unser Leben, und damit auch durch unser Tun und Handeln,
anzunehmen.
Unser Handeln ist nicht Voraussetzung, sondern Zeichen und Folge unserer Haltung zu Gott, unseres Glaubens und Vertrauens in Jesus Christus.
Amen.

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