Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 10. Dezember 2011

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe

Matthäus 11, 2 – 6


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

als sich in der Kirche in den ersten Jahrhunderten die großen Feste des Kirchenjahres etablierten, das „Kirchenjahr“, so wie wir es heute kennen, sozusagen Form annahm, da haben die Christen in großem Ernst vor die großen Feste Ostern und Weihnachten Zeiten der Vorbereitung vorgesehen. Das waren Zeiten der Einkehr, der Stille, ja, der Buße, der neuen bewussten Umkehr und Hinwendung zu Gott. Es waren Wochen des Fastens, des Betens, der Besinnung.

In der Fastenzeit vor Ostern ist viel davon geblieben. In der „Fastenzeit“ vor Weihnachten eher weniger... Höchstens das Wort „Besinnlichkeit“ hat hier noch seinen Raum im Bewusstsein vieler Menschen, auch bei uns.

Was aber soll die adventliche Besinnlichkeit? Im Ursprung eben dies: Still werden vor Gott. Sich besinnen auf unseren Weg, den wir vor Gottes Angesicht gehen.
Vorbereitung auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus, das wir am bevorstehenden Christfest (zwar) feiern, das sich aber ja nicht nur an Weihnachten irgendwie ereignet, sondern das sich an jedem Tag ereignen kann!
Vorbereitung auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus, auf das wir im Besonderen am Ende der Zeiten warten, wenn ein neuer Himmel und eine neue Erde erscheinen wird.

Es ist gut, dass es diese Zeiten gibt, eingeplant im Kirchenjahr, die uns zu solcher Besinnung, zu solcher Vorbereitung rufen. Denn im Getriebe des normalen Alltags, in der Gleichförmigkeit unserer Lebenszeit geht das Bewusstsein, dass wir als Christen Wartende sind, allzu leicht unter.

Der 3. Adventssonntag ist in diesem Zusammenhang dem Mann gewidmet, der als „Wegbereiter“, als Rufer zur Umkehr, als Mahner in die Geschichte der Christenheit eingegangen ist, nämlich Johannes dem Täufer. Als der Größte unter den Menschen, als „mehr als ein Prophet“ bezeichnet Jesus selber ihn nach dem Zeugnis der Evangelisten.
Als den letzten Propheten des AT an der Schwelle zum Neuen Bund ordnet ihn die Theologie ein. In der Kunst wird er gelegentlich mit einem überlangen Zeigefinger dargestellt: Er weist von sich weg – hin auf den anderen, noch Größeren, der nach ihm kommen soll.

Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig – dies Wort aus Jes. 40, der Wochenspruch für die 3. Adventswoche, wird gleichsam als die Botschaft des Vorläufers verstanden.

Wo und wie konnte Johannes der Täufer diese Botschaft verkündigen? In Jes. 40 ist die Rede von einer „Stimme in der Wüste“. Und von Johannes wird in den Evangelien erzählt: „Er war in der Wüste“, und Legenden erzählen, dass er bereits als Knabe in die Wüste gegangen sei. Aus der Wüste heraus hat er seine Stimme erhoben. Was bedeutet das?

Liebe Schwestern und Brüder, ehe jemand seine Stimme erhebt, überhaupt erst einmal zu einer Stimme wird, muss er hören! Wir wissen, dass Menschen, die taub sind, also nicht hören können, in der Regel auch stumm sind, keine Sprache artikulieren können.
Das ist auch im übertragenen, geistlichen Sinn so: Ich kann erst selbst etwas sagen, wenn ich vorher genau hingehört habe. Und zum Hören gehört Stille, äußerste gespannte Hörbereitschaft, Achtsamkeit – zum Hören gehört die weite Öffnung des Herzens!

Die Wüste ist der Ort, wo Menschen solches Hören lernen und üben. Es ist der Ort, wo Menschen in besonderer Weise Gott begegnen, ihr Herz für Gottes Stimme öffnen. Und dann auch reden können! Zu den Wüstenvätern, die in einsamer Askese, fern von allem Weltgetriebe lebten, sind die Menschen hingegangen, um sich Rat zu holen, um ein Wort aus der Stille zu hören.

Johannes der Täufer hat in der Stille, in der angespannten Herzensaufmerksamkeit, das Wort empfangen, das er dann den Menschen weitersagen konnte: ER, auf den ihr wartet, ist auf dem Weg, ganz nahe herbeigekommen! Bereitet euch vor, ihn zu empfangen! Öffnet eure Herzen, werdet still, dass ihr ihn wahrnehmt, ihn nicht etwa „über-merkt“, überseht, überhört, wenn er kommt und zu euch spricht!

Das wusste Johannes nicht aus sich selbst. Sondern das musste er selber auch erst einmal hören. Im Johannes-Evangelium (Kap. 1) sagt er mehrfach: „Ich kannte ihn nicht.“ Gott musste ihn ihm erst einmal zeigen – dann konnte er sagen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“

Bereitet dem HERRN den Weg – könnte das für uns auch heißen: Werdet zuallererst einmal still? Stellt um von Senden auf Empfangen! Richtet eure Herzen aus auf Sein Kommen – nicht nur jetzt in der Adventszeit und zu Weihnachten – sondern auf Sein mögliches Kommen jederzeit in unserem Alltag! Bewusst geplante Einkehrtage können da helfen, kurze Zeiten des Innehaltens im Tagesablauf...

Dass Johannes und übrigens viele andere, bis hin zu Jesus selbst, Gott in der Wüste begegnet sind – könnte das auch heißen: Gott begegnet uns vornehmlich auf Wüstenwegen, auf Wegen, die aussichtslos erscheinen? Dort, wo die Stille groß und der Überfluss fern ist, womöglich im Krankenzimmer, in der Einsamkeit des Unverstandenseins, da lässt Gott sich vernehmen, schenkt Trost, Orientierung – manchmal durch die Stimme eines Menschen, der uns so eine Art Johannes–Dienst leistet, uns hinweist auf den, der ja kommt, auch zu uns...

Einen merkwürdigen und, wie ich finde, in gewisser Weise tröstlichen Kontrapunkt setzt das Evangelium zum 3. Advent, das ich vorhin gelesen habe: Johannes im Gefängnis – und da ist sich selbst Johannes plötzlich nicht mehr sicher: Ist er es nun oder ist er es nicht? Sollen wir doch auf einen anderen warten? Und nun ist es Jesus selbst, der an Johannes den Johannes–Dienst leistet, der ihn hinweist und ihn mahnt:
Höre doch! Sieh doch! Strenge all deine Sinne an und nimm wahr, was geschieht:
Lahme gehen, Blinde sehen, Taube hören, Armen wird die frohe Botschaft verkündigt – wiederum ein Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja, Hinweis auf den kommenden Messias, auf den Gesalbten, auf den Christus!

Es gibt sogar für Johannes, es gibt für uns diese „Gefängnisse“, in denen wir ganz unsicher werden, kaum noch an Gott glauben können, alles in Frage stellen, zweifeln und ver-zweifeln!

Und auch hier wieder die Aufforderung: Sieh hin! Höre genau zu! Öffne dein Herz! Dann wirst du die hinweisende Stimme wahrnehmen, die dich auf IHN hinweist!

Bereitet dem HERRN den Weg – das ist die Botschaft Johannes des Täufers, die uns gilt – heute am Vorabend zum 3. Advent. Unsere Adventslieder deuten diese Botschaft aus. Indem wir sie singen und meditieren, wollen wir diese Botschaft in unsere Herzen eindringen lassen, sie in unsere Herzen hineinsingen – und IHM entgegengehen, jetzt und alle Tage unseres Lebens.
Amen.

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