Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 28. Januar 2012

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe

Matthäus 17, 1 – 9


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

in manchen Familien und in manchen Kirchen und in manchen Gegenden steht der Weihnachtsbaum bis Lichtmess, bis zum 2. Februar. Das hat seinen guten Sinn. Die Weihnachtszeit umfasst die gesamte Epiphaniaszeit, die Zeit, in der wir das „Erscheinen Gottes“ auf unserer Erde, unter uns Menschen feiern – die Zeit mit ihrer Lichtsymbolik, mit ihrem Glanz.

Höhepunkt und Abschluss dieser winterlichen Lichtzeit ist der „Letzte Sonntag nach Epiphanias“, noch einmal mit der liturgischen Farbe Weiss für ein Christusfest und als Zeichen für das Himmelslicht, das mit der Geburt des Gottessohnes über uns aufgegangen ist. Höhepunkt der weihnachtlichen Epiphanias–, „Erscheinungs“zeit ist das Sonntagsevangelium von der Verklärung Jesu auf dem Berg.

Buchstäblich wie in einem „Brennpunkt“ findet hier die Epiphanie, die Erscheinung, die Offenbarung Gottes in Seinem Sohn ihren strahlenden Ausdruck. Jesus nimmt drei seiner Jünger mit in die blendende Gottesnähe.

Da würden sie am liebsten bleiben, Hütten bauen, sich häuslich einrichten. Aber das geht nicht! Als Jesus die überwältigten Jünger anrührt mit einem „Fürchtet euch nicht!“ – so reden auch die Engel die Hirten auf dem Felde an, die vom Glanz Gottes überwältigt waren! – da ist das Licht verschwunden. Alles ist wieder ganz normal, wie immer. Jesus – eben noch als Gottessohn proklamiert – steht neben ihnen als ihr Menschenbruder, tröstend aufmunternd – und dann geht es wieder hinunter vom Berg, aus der blendenden Gottesnähe hinaus, in das dunkle Tal. Und dies dunkle Tal ist für Jesus und die Jünger der Weg nach Jerusalem, in die Auseinandersetzung mit Dämonen, mit Krankheiten, mit lieblosen und verständnislosen Menschen, der Weg in einen Kampf, dem der Mensch Jesus schließlich am Kreuz unterliegt.

Erst das Osterlicht wird das Licht der Verklärung wieder aufnehmen. Die Verklärung Jesu auf dem Berg nimmt in gewisser Weise das Licht der Auferstehung voraus, lässt es schon einmal aufscheinen, leuchtet schon einmal hinein in die Herzen der drei Jünger.

Auch in unsere Herzen hat das Weihnachtslicht hineingeleuchtet mit seinem Frieden, seinem Trost. Damit wir es nicht vergessen, erinnert uns der Wochenspruch für diese letzte Epiphaniaswoche daran mit einem Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja:
„Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (Jes 60,2).

Das Wort erinnert an den Wochenspruch vom 2. Advent: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ (Lk 21, 28). Das wird noch deutlicher, wenn wir die Sätze darum herum mithören:
„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“
So schließt dieser Wochenspruch den Bogen aus der Adventszeit, rundet die Weihnachtszeit ab.

Liebe Schwestern und Brüder, das klingt so sicher! Es wird einfach so gesagt: So ist es! Die Herrlichkeit des Herrn erscheint über dir – so wie sie erschien über den Hirten auf dem Feld, in Gestalt eines hellen Sterns über den Weisen aus dem Orient und wie das blendende Gotteslicht auf dem Berg der Verklärung. Ist das denn wirklich so? Haben wir je so etwas erlebt? Und erinnern wir uns daran, falls wir es je erlebt haben, in unserem Alltag, der oft eher trübe und grau ist? In dem wir uns mit Beeinträchtigungen plagen, weil wir krank sind oder immer älter werden? In dem wir uns Sorgen machen über die Zukunft unserer Kinder, über die Beziehungen, die wir schwierig finden? Erinnern wir uns daran in unserem Alltag, in dem wir oft genug mit Entsetzen die Nachrichten im Radio hören, im Fernsehen sehen – schon wieder Menschen ermordet, schon wieder ein Kind gestorben in einem verwahrlosten Elternhaus, schon wieder Korruption und Betrug, Verschuldung und Steuerhinterziehung, wo doch alles darauf ankommt, Vertrauen in die Politik und zu den Verantwortlichen zu festigen?
Wir könnten beliebig weiter aufzählen, was uns traurig stimmt, uns enttäuscht, uns Angst macht. Ja, der Prophet Jesaja sieht das auch: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker – und dennoch, über alledem: „Aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir!“

Wir wissen es aus unserer Lebenserfahrung: Das heißt nicht, dass nun alles gut wird und die Welt plötzlich in Ordnung kommt. Sondern das heißt: Über dieser finsteren Welt geht das Licht des HERRN auf! Bei Jesaja ist das ganze Kapitel 60 eine einzige Heilszusage und Heilsschilderung, losgelöst und unabhängig von der geschichtlichen Lage, die damals z. Zt. des Propheten auch nicht so doll war. Und er braucht das Bild des aufgehenden Sterns oder auch der aufgehenden Sonne, Bilder, die in vielen unserer Epiphaniaslieder vorkommen, um in wunderbaren Worten das göttliche Licht zu schildern: Auch die aufgehende Sonne leuchtet über einer Welt, in der soviel Angst und Schrecken sind. Und sie taucht diese Welt, so wie sie ist, ins Licht. Aber das ist ja nur ein Bild! Gemeint ist Gott selbst, der über dieser Welt, so wie sie nun einmal ist, ein ewiges Licht aufgehen lässt, das uns die Hoffnung und die Zuversicht schenkt: Das Dunkel ist nicht das Letzte und Endgültige. Am Ende wird das Licht über die Finsternis herrschen. Und es gibt Augenblicke, in denen dies Licht schon jetzt in unser Leben hineinscheint.

Ein Weihnachtslied, das ich gern zitiere, nimmt genau diesen Gedanken auf:

Das ewig Licht geht herein, gibt der Welt ein’ neuen Schein;
Es leucht’ wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht (EG 23, 4).

Das ist gemeint, und das macht unsere Hoffnung und unsere Zuversicht an Christus fest: Er ist in die Welt gekommen, um die innige Verbindung zwischen uns und dem ewigen Gott herzustellen, um uns nahe zu sein im Leben, im Leiden und im Sterben, um uns an seiner Hand durch den Tod hindurch in ein Leben im Licht Gottes zu führen.
Dass Jesus das Kreuz überwinden würde und vom Vater in das Leben hineingeholt werden würde, das wussten die Jünger auf dem Berg der Verklärung noch nicht. Erst später haben sie es begreifen und glauben können. Von hinten her werden sie, was sie auf dem Berg erlebt hatten, haben deuten können: Sie hatten das Licht sehen dürfen, das unsere Welt mit ihren Freuden, ihren Leiden und ihrem Sterben umfängt, in dem alles aufgehoben ist. Sie haben verstehen dürfen – und wir mit ihnen – dass hinter dem Kreuz die Morgensonne der Ewigkeit aufgeht: Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir – ein für allemal!

Ich möchte schließen mit einem Gebet, das Dietrich Bonhoeffer einmal aufgeschrieben hat auf seinem eigentlich trostlosen und, wie wir wissen, im Tod endenden Weg:

Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht;
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht;
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe;
ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede;
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld;
ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.

So kann das sein, wenn das „ewig Licht“ in unser Leben hinein leuchtet.
Amen.

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