Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 30. Juni 2012

Pfarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad


Wochenspruch: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Gal. 6, 2)

Dazu lese ich einige Verse aus Kapitel 5 und 6 des Briefes an die Gemeinden in Galatien (Galaterbrief):

5,13 Ihr aber, liebe Brüder und [Schwestern], seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.
25 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln.
26 Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden.
6,1 Liebe Brüder [und Schwestern], wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.
2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
3 Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.
4 Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben
und nicht gegenüber einem andern.


Liebe Schwestern und Brüder,

zur Freiheit berufen:
ja: ein Christenmensch ist ein freier Mensch und niemandem untertan.
Frei wovon?
Frei wozu?

Die Grenzen der Freiheit benennt Paulus gleich mit im ersten Satz:

13 Ihr aber, liebe Brüder und [Schwestern], seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.

… dass ihr nicht dem Fleisch Raum gebt.
Damit ist weniger das gemeint, was in unserer Gesellschaft mit körperlicher oder gar sexueller Ausschweifung beschrieben wird, viel mehr:
Paulus meint Grundsätzlicheres, nämlich das Materielle, das gerade in diesen Tagen weitgehend die Politik bestimmt:
Macht und Geld, Geiz und Unverstand …
so in dem Lied, das wir anschließend singen werden.

Komm in unsre stolze Welt,
Herr, mit deiner Liebe Werben.
Überwinde Macht und Geld,
lass die Völker nicht verderben.

Wenn Freiheit dazu führt, dass wir uns von menschlichen Denken allein leiten lassen, von Selbstsucht, Stolz und Selbstüberschätzung, dann werden wir – wie Paulus schreibt – von der Freiheit verführt.
Wenn wir uns im öffentlichen, aber auch im privaten Leben nicht mehr davon leiten lassen, was Gottes Gebote uns weisen, sondern was allein wir für richtig, für angemessen oder gar opportun halten, dann sind wir durch die Freiheit verführt:
Selbstüberschätzung ist dann das Stichwort:
„… wer spricht hier von Gott? Ich nehme mein Leben selbst in die Hand …“
Freiheit, zu der wir berufen sind, das ist nach Paulus:
einander in Liebe zu dienen nicht um den anderen subtil zu beherrschen, das gibt es auch, nein, vielmehr um dem/der anderen zu helfen, zu seiner/ihrer von Gott gewollten Bestimmung zu finden.
Was das im Einzelnen ist, kann jede/r nur für sich selbst herausfinden, wir können betend, fürbittend begleiten und unterstützen.
Der Glaube an Gott in Christus macht frei, zu wandeln in der Kraft, die von Ihm im Heiligen Geist ausgeht.
Frei, mit unseren Geschwistern liebevoll umzugehen, gerade auch dann, wenn sie Fehler machen, wenn sie straucheln:

6,1 Liebe Brüder [und Schwestern], wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.

Helft einander wieder zurecht!
Es ist also nicht Aufgabe der Gemeinde, Strafe zu verhängen, sondern dem Sünder den Neuanfang und die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft zu ermöglichen.
Tragt, ja ertragt einander in Liebe, Barmherzigkeit, gerade auch dann, wenn ihr unter Verfehlungen eurer Mitchristen leidet.
...und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.
Wir denken an die Bergpredigt, an Jesu Rede vom Splitter und Balken.

Der Wochenspruch:

2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
wird ja oft als Trauspruch gewünscht und gepredigt.
Ich weiß aber nicht, ob die Brautleute wissen, was in diesem Satz des Paulus aus dem Galaterbrief steckt: Es ist ja wesentlich mehr als die gegenseitige Unterstützung im Alltag.
Ja es ist mehr, als das Zueinanderstehen auch in schweren Zeiten, wie ich sie im Krankenhaus immer wieder erlebe, wenn Menschen mir angesichts des Schlaganfalls oder des Herzinfarktes des Partners, der Partnerin sagen:
„… wir haben uns doch versprochen: in guten wie in bösen Tagen!“
Ja, das alles stimmt, aber Paulus meint mehr:

2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Tragt einander, gerade auch in euren Schwächen, in euren Verfehlungen, in eurem Sündig Sein. Gebt euch immer wieder eine neue Chance. Auch in den größten Verletzungen, helft einander auf, ringt um den versprochenen gemeinsamen Weg,
werft nicht beim ersten Konflikt alles weg!

2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
heißt dann, eben nicht gleich die Scheidung einreichen, weglaufen, sondern um den gemeinsamen Weg kämpfen, einander tragen und ertragen, den Weg durch Lärm und Streit zu suchen, wie im Lied formuliert – mit Gottes Hilfe:

Komm in unsre laute Stadt,
Herr, mit deines Schweigens Mitte,
dass, wer keinen Mut mehr hat,
sich von dir die Kraft erbitte
für den Weg durch Lärm und Streit
hin zu deiner Ewigkeit.

aushalten, durchhalten, kämpfen …
aber es bleibt nicht beim Appell, Paulus macht klar:
die Kraft dazu bekommt ihr aus der Kraft des Geistes, von Gott her.
Wenn wir im Geist und aus dem Geist, aus und in der Kraft Gottes leben, dann lasst uns auch im Geist wandeln, unser Leben in der Nachfolge Jesu Christi gestalten.
Das Gesetz Christi, das wir damit erfüllen, ist das Band christlicher Gemeinschaft:
im Vaterunser so gesagt:
"Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern."
Liebe und Barmherzigkeit sind die Stichworte, die ein Christenleben bestimmen.

5,13 Ihr aber, liebe Brüder und [Schwestern], seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe
diene einer dem andern.

Eine alte Legende erzählt von zwei Mönchen, die Streit miteinander haben. Sie können sich nicht einigen, denn jeder von beiden fühlt sich im Recht. Schließlich tragen sie dem Abt ihre Sache vor und bitten ihn, den Streit zu schlichten und für Gerechtigkeit zu sorgen. Der Abt möchte eine Nacht Bedenkzeit und gibt den Mönchen am nächsten Morgen seine Antwort:
"Gerechtigkeit gibt es nur in der Hölle, im Himmel regiert die Barmherzigkeit, und auf Erden gibt es das Kreuz!"

Wir reiben uns die Augen.
Aber ist es nicht so: Eine konsequente menschliche Gerechtigkeit führt in die Hölle, es fehlt ihr die Liebe und die Barmherzigkeit.
Gottes Gerechtigkeit hat die Gestalt der Liebe und Barmherzigkeit.
Der Weg zwischen dem Rechthaben und Barmherzigkeit ist der Weg ans Kreuz.

Schauen wir auf den Hügel Golgatha.
Der eine Verbrecher lästert Christus. Er findet Gerechtigkeit – das ist die Hölle.
Der andere Verbrecher bittet Jesus um Gnade und bekommt Gottes Barmherzigkeit.
Jesus aber, und in Ihm Gott selbst, leidet das Kreuz auf Erden.
Uns zugute, weil er damit Lasten trägt, die keine/r von uns tragen kann.

Komm in unsre stolze Welt,
Herr, mit Deiner Liebe Werben.
Überwinde Macht und Geld,
lass die Völker nicht verderben.
Wende Hass und Feindessinn
auf den Weg des Friedens hin.

Komm in unsre laute Stadt,
Herr, mit Deines Schweigens Mitte,
dass, wer keinen Mut mehr hat,
sich von Dir die Kraft erbitte
für den Weg durch Lärm und Streit
hin zu Deiner Ewigkeit.

Amen.

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