Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 4. August 2012

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe


Wochenspruch: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern. (Luk. 12, 48)

Matthäus 25, 14 – 30


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

das soll „Evangelium“, frohe Botschaft sein, der unbarmherzige Umgang mit dem armen Schlucker, der zu ängstlich war, mit den anvertrauten Zentnern etwas anzufangen? Hatte der nicht recht, als er meinte, der Herr sei ein „harter Mann“? Und da wir ja als bibelkundige Leute sogleich wissen, wie das alles gemeint ist – haben wir das nicht auch schon erlebt, dass wir den Eindruck hatten: Gott mutet uns einfach zuviel zu? Er hat uns eine Aufgabe aufgedrückt, mit der wir einfach nicht fertigzuwerden glauben? Und wenn man sich dann wegzuducken versucht – dann eine solche Behandlung??
Es ist schon harte Kost. Und der Wochenspruch, der uns in dieser 9. Woche nach Trinitatis begleiten soll, setzt dem hohen göttlichen Anspruch die Krone auf: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.

Liebe Gemeinde, das ist eine Sprache, die wir nicht mögen. Das Wörtchen „fordern“ vermeiden wir nach Möglichkeit, und wenn wir’s gebrauchen, dann doch gleich zusammen mit dem Wörtchen „fördern“, damit es ein wenig abmildernd unterfüttert wird. Aber irgendwie klingt das dann auch gleich wieder nach Hartz 4 – also kurz: Wir lassen das Wort lieber weg. Und für den Augenblick lassen wir’s auch tatsächlich mal beiseite.

Und dann merken wir schnell, dass unser Wochenspruch zunächst einmal etwas zum Ausdruck bringt, was eigentlich selbstverständlich ist, bzw. was im christlichen Abendland zu einer selbstverständlichen Dimension unserer Ethik geworden ist.
Ein bekanntes Sprichwort fasst es kurz zusammen: „Eigentum verpflichtet.“ Das ist zum Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft geworden: Reichtum an sich ist weder schlecht noch gut. Aber wo Reichtum ist, da besteht auch die Verantwortung, diesen Reichtum sinnvoll und sozial einzusetzen für die Menschen, die eben nicht reich sind.
Wo das nicht freiwillig geschieht – und das ist leider sehr häufig der Fall – da muss das eben gesetzlich geregelt werden. Im Augenblick wird ja mal wieder sehr heftig über eine „Reichensteuer“ diskutiert.

Dieselbe Verpflichtung gilt übrigens auch für intellektuelle Fähigkeiten und Begabungen: Sie sind nicht zum Verstecken da. Sondern sie werden gebraucht, und wir sollen sie zum Wohl der Menschen einsetzen und anwenden, für die wir Verantwortung tragen, in der Nähe und in der Ferne. (Vor einiger Zeit fand ich mal eine alte Anweisung für Kantoren, die zuständig sind für gregorianischen Gesang. Da hieß es: „Kantoren, die sich weigern, das ihnen von Gott geschenkte weiter zu geben, sollen streng bestraft werden“.)
Also soweit ist das alles völlig einsichtig und selbstverständlich. Die Frage ist nun, warum eine solche Selbstverständlichkeit in der Bibel, im Evangelium steht! Geht es da vielleicht doch um mehr, als um eine wirtschaftliche oder sozialpolitische Maxime, um einen allgemeinen ethischen Grundsatz?

Schauen wir noch einmal auf den Zusammenhang mut dem Sonntagsevangelium. Der Wochenspruch steht im Lukas-Evangelium in einem ähnlichen Zusammenhang: Ein Herr vertraut für die Zeit seiner Abwesenheit seinem „Knecht“ sein Vermögen an. Dieser Knecht hat also die Funktion eines Verwalters, eines Haushalters, auf griechisch „Ökonom“. Hat also doch etwas mit „Wirtschaft“ zu tun! Das Bild des „Haushalters“ taucht im Neuen Testament, insbesondere in den Briefen, häufiger auf. Paulus schreibt einmal (1 Kor 4, 1f.): Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.
Das also ist die Eigenschaft eines treuen Verwalters: Dass er sorgsam, uneigennützig und verantwortungsbewusst mit dem anvertrauten Gut umgeht, es nicht „vergräbt“ und es nicht dazu benutzt, anderen zu schaden. Dass er es womöglich mehrt, wie man Geld und Gut nach Möglichkeit mehrt und nicht verschleudert oder Unrechtes damit anfängt. Genau das haben die beiden ersten „Knechte“ im Gleichnis ja auch getan, jeder nach seinen Fähigkeiten.

Wir haben demnach etwas zur Verwaltung empfangen, mit dem wir treu umgehen sollen. Weil es uns nämlich nicht gehört! Woran denken wir da?
– Wir haben Begabungen empfangen, die wir in unserem Leben „verwalten“ sollen. Sie sind nicht unser Eigentum; wir haben sie uns nicht selber geschaffen. Man kann seine Intelligenz dazu gebrauchen, sinnvoll und klug Gutes zu tun. Man kann aber seine Intelligenz auch dazu benutzen, kriminelle Machenschaften auszuhecken.
– Wir haben unsere Lebenszeit empfangen. Sie gehört uns nicht. Aber solange wir sie haben, sollen und dürfen wir sie „verwalten“. Wie dankbar könnten wir jeden einzelnen Tag leben, wenn wir jeden einzelnen Tag wirklich als Geschenk aus Gottes Hand nehmen würden! Geschenkte Zeit, für mich und für die Menschen um mich herum! Viel zu schade zum Nörgeln, zum Unleidlich-Sein!
– Wir haben die Menschen als Gaben empfangen, die unser Leben reich machen. Sie gehören uns nicht. Unser Ehepartner gehört uns nicht. Eines Tages, früher oder später, wird er von unserer Seite genommen werden. Wie gut, wenn wir uns in Liebe erinnern können; wie quälend, wenn nicht... Unsere Kinder gehören uns nicht. Sie sind uns anvertraut, damit wir sorgsam und liebevoll mit ihnen umgehen – solange wir sie haben dürfen. Eines Tages müssen wir sie loslassen, gehen sie ihre eigenen Wege. Gut, wenn wir die Zeit mit ihnen genutzt haben. Unsere Schwestern gehören uns nicht. Gott hat sie uns geschenkt, vielleicht auch zugemutet, als Aufgabe und als Reichtum. Gut, wenn wir sie als Gottesgabe sorgsam wertschätzen.

Was in unserem Wochenspruch bedrohlich und fordernd klingen mag, ist eigentlich einfach eine Feststellung: Viele von uns wissen, wie man sich herumquälen kann mit Versäumnissen, mit Schuld oder Schuldgefühlen, berechtigten und unberechtigten. Die perfekten „Haushalter“ sind wir ja alle nicht. Wir kennen das Glück der guten Erinnerungen, aber eben auch die Last der Versäumnisse.
Ich denke, das Wort aus dem Lukas-Evangelium will uns daran erinnern, dass der Reichtum unseres Lebens, der materielle, der geistige, vor allem aber auch der geistliche, das Evangelium von der Barmherzigkeit und der vergebenden Liebe Gottes, wie sie uns in Christus begegnet – dass dieser Reichtum Geschenk ist, anvertraute Gabe, uns zur Verwaltung von Gott überlassen: Erfahrene Vergebung ist zum Weitergeben da! Empfangene Liebe und Barmherzigkeit sind zum Weitergeben da! Der empfangene Trost hilft uns, unsererseits zu trösten! So verwalten wir Jesu Gaben recht während der Zeit seiner Abwesenheit!
Dankbar möchte ich sein und voller Staunen und demütiger Freude über die mir anvertrauten Gaben – und dann aus dieser Fülle weiterschenken!
Amen.

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