Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 19. Januar 2013

Pfarrer Wolfgang Scharf, Karlsruhe


Wochenspruch: Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jes. 60, 2)

Jesaja 60, 1 – 6


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde!

„Wir machen den Weg frei!“ „Ich bin doch nicht blöd!“
Werbesprüche wie diese haben sich uns tief eingeprägt. Wir hören sie und wissen sogleich, welche Bank oder welches Produkt hinter diesem Slogan steht. Ähnlich verhält es sich mit bestimmten Melodien. Wer unter den Älteren kennt nicht die Erkennungsmelodie, die in früheren Jahren einer abendlichen Eurovisionssendung vorausging? Die Tagesschau hat ihre Kennmelodie. Und jeder weiß, was nun kommt.

Texte und Melodien, die uns  ihren Kontext unmittelbar erschließen, begegnen uns vielfach im täglichen Leben. So ähnlich wie es uns mit diesen Texten und Melodien ergeht, stelle ich mir vor, ging es den Menschen seinerzeit, an die unser heutiger Predigttext gerichtet war. Es waren jene Rückkehrer aus dem babylonsichen Exil und jene, die im Lande überlebt hatten, an die sich diese Worte richteten. Hochgespannte Hoffnungen, die sich mit der Rückkehr in die einst verlorene Heimat verbunden hatten, erfüllten sich nicht. Der Tempel, die Stadt und ihre Mauern in Trümmern; heftige Konflikte um alte Besitzverhältnisse, im Lande wütende Gewalt.

Diesen Menschen gilt die Botschaft, die mit dem hebräischen Wort „Qumi“ beginnt. Dieses Wort hat Signalwirkung. Wie Werbeslogans oder Melodien erschließt sie ihren Hörern einen unglaublich ermutigenden Kontext. „Qumi“, das wird hier übersetzt mit: Mache dich auf! Eigentlich bedeutet es: Steh auf! In diesen Worten liegt Ermutigung. Eine Ermutigung, die weit entfernt ist von den gängigen Worten: „Kopf hoch, es wird schon wieder!“ Oder: „So schlimm ist es doch auch wieder nicht. Reiß Dich doch etwas zusammen!“

Wenn wir selbst von solchen Worten betroffen sind, dann wissen wir: es gibt Situationen, da wird nichts wieder gut oder ist nicht so schlimm. Da ist eine Beziehung, eine Ehe total am Ende. Da gibt es keine Aussicht mehr, dass es gut wird. Da trauern Menschen um einen Verstorbenen. Und sie wissen: der Ehemann, der Vater, der Freund: er kommt nicht mehr zurück. Und ich muss meinen Weg nun allein – ohne ihn – finden. Da ist die Hoffnungslosigkeit des älteren Arbeitnehmes, der seine Arbeit verloren hat.

Dieses Wort „Qumi“ geht weit über diese Verlegenheitsworte hinaus. „Qumi!“, „Steh auf!“, so wird die in der Wüste fast verdurstende Hagar, die von Abraham verstoßene Frau, durch den Engel Gottes angesprochen. Dem Tode hilflos ausgeliefert, wird sie mit ihrem Knaben Ismael ins Leben zurückgerufen. Und auch im neuen Testament, bei Markus, spricht Jesus zur soeben verstorbenen (!) Tochter des Jairus „Talita qumi!“ „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ Und das Mädchen steht auf, lebt. Qumi, das ist das Wort, das entmutigte Menschen hören, am Ende ihrer Kräfte, ein Wort, das sie ins Leben zurückrufen will, zu neuer Hoffnung.

„Steh auf!“, ja „Steht auf!“, so lautet die Botschaft dieses Gotteswortes. Es gilt auch uns heute. Gottes Wort kann uns neu ins Leben rufen. Er allein hat die Macht und die Kraft dazu. „Steh auf“, „Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt!“ Gott schenkt uns die Kraft aufzustehen, uns aufzumachen, weil er zu uns in diese Welt gekommen ist als das Licht des Lebens. Licht werden, das kann man Menschen abspüren; Menschen, die eine Ausstrahlung haben, die gegründet in ihrem Glauben leben. Menschen, die eine Hoffnung leben, die sie selbst niemals einlösen könnten, die aber eingelöst ist durch Gott selbst.

Was in dem Wort „Qumi“ angelegt ist, setzt sich vertiefend in den Gegensätzen von Licht und Finsternis fort. Auch in diesen Worten hörten die Menschen mehr als wir heute auf das erste Hinhören wahrnehmen. Mit der Finsternis, die uns hier begegnet ist nicht etwa das Dunkel der Nacht gemeint. Nein: es ist die Finsternis, die uns am Anfang der Bibel in der Schöpfung begegnet. Dort heißt es: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott spracht: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Wortgewaltig lautet diese Passage in der Übersetzung von Buber–Rosenzweig: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal. Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gott sprach: Licht werde! Licht ward.“

Diesen Worten spürt man die Urgewalten ab, die hier am Werke sind. Hier geht es um die Schöpfungskraft Gottes, die die Erde gestaltet. Hier wird das lebensbedrohende Chaos gebändigt, dem sprichwörtlichen Tohuwabohu – wie dies im hebräischen Urtext heißt – Einhalt geboten.

Solche Finsternis des tödlichen Chaos herrscht auf der Erde, sagt Jesaja. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.“ Wie recht er hat! Und wir spüren diese verderblichen Kräfte des Chaos nur zu deutlich. Tod und Gewalt, Lüge und Trug üben ihr mächtiges Regiment unter uns aus. Heute nicht anders als damals! Den Menschen in ihrer Hoffnungslosigkeit, Ernüchterung und Depression stellt Jesaja in Gottes Namen und Auftrag eine Neuschöpfung vor Augen. Nichts anderes bedeutet die Verwendung der Worte Qumi, Finsternis und Licht.

Die Herrlichkeit Gottes erscheint über diesen Menschen und sie ist uns erschienen in der Weihnacht in Gottes Sohn Jesus Christus. Was Jesaja in Gottes Namen angesagt hat, das sehen wir als Christen in Jesus Christus erfüllt. Er ist das Licht der Welt. In ihm hat sich die Neuschöpfung in dieser vergänglichen Welt bereits vollzogen: in seiner Auferstehung von dem Tode. Die ganze Fülle des Lebens mit seiner schöpferischen Macht ist im Auferstandenen gegenwärtig. Nicht die Wiederbelebung eines irdischen Lebens, sondern die Gegenwart der Fülle des Lebens Jesu Christi in der Auferstehung ist das göttliche Wunder der Neuschöpfung. Gott öffnet uns hier eine ganz neue Dimension, eine ganz neue Wirklichkeit. Und dies hat dann im Glauben ergriffen, seine Auswirkungen. Trotz der zerstörerischen Finsternis in unserer Welt, der verderblichen Mächte und Gewalten, deren Auswirkungen wir im eigenen Leben wie in unserer Welt leidvoll erfahren müssen, gilt die Zusage der neuen Schöpfung, der neuen Wirklichkeit Gottes, in der Gott selbst in Jesus Christus diesen Mächten Einhalt gebietet, ja schon Einhalt geboten hat.

Gottes heiliger Geist möge unsere Augen öffnen für seine Wirklichkeit und für seine Herrlichkeit. Möge Gottes Geist uns ermutigen, dass wir uns aufmachen und licht werden, ja Licht der Welt werden für Gottes Liebe.
Amen.

Coypright Diakonissenhauses Bethlehem, Karlsruhe
Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem, Karlsruhe-Nordweststadt
[ Sitemap | Suchen | Impressum | Datenschutz ]
[ Aktualisiert am 18.04.2024 | powered by ConPresso 4 ]