Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 12. Januar 2013

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe


Wochenspruch: Weche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Röm. 8, 14)

Matthäus 3, 13 – 17


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

die Epiphaniaszeit gehört im liturgischen Kirchenjahr noch mit hinein in den Weihnachtsfestkreis. Die Sonntage der Epiphaniaszeit drehen und wenden wie einen Kristall mit unterschiedlichen Flächen und Lichtbrechungen das Weihnachtswunder, dass Gott Mensch geworden ist. In dem Menschen Jesus strahlt Gott auf, wendet ER Sein Angesicht den Menschen zu, „erscheint“ ER unter den Menschen. In dem Menschen Jesus wird Gottes Wort „Fleisch“, das Wort der Liebe und Barmherzigkeit; in ihm sehen wir „seine Herrlichkeit“, so drückt es das Johannesevangelium im Prolog aus. Die Themen der Epiphaniassonntage betrachten und meditieren dieses an sich unbegreifliche Wunder anhand bestimmter Texte, die die Göttlichkeit Jesu  aufstrahlen lassen. Morgen, am 1. Sonntag nach Epiphanias, ist es die Erzählung von der Taufe Jesu, wo der Himmel aufbricht und der Geist Gottes, des himmlischen Vaters, sich auf den Sohn herniederlässt.
In diesem Zusammenhang nun der Wochenspruch, der weniger die Taufe Jesu aufnimmt, weniger den Gedanken der Epiphanie, als vielmehr sich an das Stichwort vom Geist anschließt: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.

Im Sonntagsevangelium ist es Jesus selbst, der durch den Geistempfang zum Sohn Gottes wird und als solcher proklamiert wird. Der Wochenspruch weitet die Kindschaft aus auf uns, als getaufte Christen und damit als Brüder und Schwestern Jesu im Geist.
Nun ist der Vers 14 ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, und ich würde Ihnen gern die sich daran anschließenden Verse aus dem Römerbrief vorlesen, weil sie einfach mit dazugehören und insbesondere den Geist Gottes ein wenig näher verdeutlichen:
Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!

Liebe Gemeinde, dass wir Gottes Kinder sind, das ist nicht etwas irgendwie Niedliches, Rührendes, Kindliches im Sinne von unreif, unselbständig, brav und gehorsam. Sondern der „kindliche Geist“, von dem hier die Rede ist, ist ein Geist des Vertrauens und der Liebe, in der keine Angst ist. Als Kinder Gottes sind wir den Mächten dieser Welt gegenüber in einem letzten Sinne frei, weil wir wissen: Sie können uns nicht wirklich etwas anhaben. „nicht ein knechtischer Geist“, ein Geist der Abhängigkeit, „in dem wir uns fürchten müssten...“
Angst macht erpressbar. Angst verleitet uns zu Worten und Taten, von denen wir im Grunde wissen, dass sie nicht gut und nicht wahr sind. Angst führt auch schnell zu Ohnmachtsgefühlen und zu Rachegedanken: Irgendwie muss man sich doch zur Wehr setzen; irgendwie müssen die anderen doch bestraft werden. Ich fürchte, wir kennen das alle.

Paulus prägt es uns ein: Wo wir uns treiben lassen, bestimmen lassen von Gottes Geist, da ist für Angst eigentlich kein Raum mehr. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Sie haben Anteil an seiner Ewigkeit, stehen in dem Licht, das aus der „zukünftigen Stadt“ auf uns fällt, von der die Jahreslosung spricht.

Vielleicht kennen wir Menschen, persönlich oder aus Biographien, die in bewundernswerter Weise getrieben waren von Gottes Geist, vom Geist der Liebe und des Vertrauens, der sie die Angst verlieren oder doch überwinden ließ – in der Zeit des Dritten Reiches oder auch jetzt in Situationen, wo Mut und Ehrlichkeit gefragt sind.
Vielleicht kennen wir Menschen, die in bewundernswerter Weise im Vertrauen auf Gott mit ihrer Krankheit oder Behinderung leben, ihrem Tod entgegengehen und sich, wohl jeden Tag auf‘s Neue, getrieben von Gottes Geist sich Gott vertrauensvoll in die Arme fallen lassen: Abba, lieber Vater.
Wir bewundern solche Menschen zu Recht, und ich denke, keiner von uns weiß, ob er sich im entscheidenden Augenblick tragen und treiben lassen wird von Gottes und von keinem anderen Geist. Und doch werden solche Menschen wohl mit Paulus die Erfahrung machen: Nicht ich, sondern DU in mir. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2Kor12,9). So sagt Paulus angesichts seiner eigenen Behinderung.

Im Römerbrief heißt es weiter: Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

Das Mit–Sein mit Christus, grundgelegt in unserer Taufe, ist der Angelpunkt unseres Glaubens und unseres Vertrauens. Ohne das hinge alles in der Luft.
Es ist der Geist Gottes, der uns mit Christus verbindet, der sozusagen Ihn und uns umfängt. Er, der Gottessohn, ist Mensch geworden, damit wir mit ihm und an seiner Seite mit Gott verbunden werden. Die Orthoxie spricht sogar von der „Vergöttlichung“ des Menschen durch die Taufverbindung mit dem Gottessohn!
Er ist aber auch deswegen Mensch geworden, damit wir in seinem Geist, auch Menschen sein können mit Ihm - mit ihm lieben und barmherzig sein, mit ihm mutig sein im Einsatz für die Schwachen und die Kranken und die Unbeliebten, mit ihm leiden an und in dieser Welt, in der die Mächte des Bösen die Oberhand zu haben scheinen.

Der Gottessohn ist Mensch geworden sogar mit der letzten Konsequenz, dass er wie jeder Mensch gestorben ist – mit uns und in dem Sinne „für uns“, damit unser Sterben ein Mitsterben mit Ihm ist, damit wir im Tod nicht allein sind. Dadurch dass Jesus, der Mensch und Gottessohn, gelebt, gelitten hat und gestorben ist, hat unser Leben, unser Leiden und unser Sterben eine unbegreifliche Würde, ja, eine göttliche Dignität erhalten.

„Für uns Gestorben“ ist Jesus auch, damit wir nicht im Tod bleiben. Denn, und das ist Paulus ganz wichtig: Wer im Leben und im Sterben mit Jesus verbunden ist, der wird auch mit Ihm leben, denn Gott hat Ihn von den Toten auferweckt – „damit auch wir mit zur Herrlichkeit erhoben werden“, zu der Herrlichkeit, deren Aufscheinen wir in der Epiphaniaszeit bedenken und feiern.

Das Mit–Sein mit Christus im Leben und im Sterben und im ewigen Leben – das ist schlechterdings der Kern unseres christlichen Glaubens:
Das Mit–Sein mit Christus bestimmt unser Handeln, indem wir uns ausrichten an Jesu Handeln, an Seiner Liebe.
Das Mit–Sein mit Christus bestimmt auch unser Mitleiden mit den Nöten dieser Welt, mit dem Kummer der Menschen.
Das Mit–Sein mit Christus erreicht seine Tiefe in unserem Mitsterben mit Ihm und seine letzte Erfüllung in unserem Mit–Auferstehen, mit Ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.

Gottes Geist schenkt es mir, dass ich Gottes Kind sein darf – mit Christus, im Leben und im Sterben und im Auferstehen. In jedem Gottesdienst, in jeder Abendmahlsfeier lässt mich der Geist Gottes diese Verbundenheit mit Christus erfahren und erleben, immer wieder neu, und bestärkt mich in der Gewissheit, Gottes Kind zu sein – wie Jesus!
Amen.

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