Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 29. Juni 2013

Pfarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad


Wochenspruch: Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Eph. 2, 8)


9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. (Eph. 2)


Liebe Schwestern und Brüder, liebe Hausgemeinde!

Eine hinführende Geschichte nach Leo Tolstoi

Zur Zeit der Leibeigenschaft in Russland setzte ein Verwalter den Bauern mit harter Fronarbeit so zu, dass sie ihn mit Gewalt beseitigen wollten. Nur der stille Peter Michejew sprach dagegen: "Ihr begeht eine große Sünde", rief er in die geheime Versammlung, "wir haben kein Recht über Leben und Tod. Uns bleibt nur die Geduld. Fängst du zuerst an, Gewalt anzuwenden, dann merkst du, wie das Böse plötzlich in dir sitzt. Ich jedenfalls pflüge das Feld an Ostern, an Christi Auferstehungstag - wie es der Verwalter angeordnet hat. Gott weiß, wessen Sünde das ist!"
Es kam zu keiner Entscheidung, und als am Ostertag der Befehl kam, das Haferfeld des Gutshofes zu pflügen, widersetzte sich niemand.
Nach einem üppigen Festessen ließ sich der Verwalter vom Dorfschulzen berichten. Der hatte die Arbeit zu kontrollieren.
"Murren die Bauern?" wollte er wissen.
"Ja, sie murren", sagte der Dorfschulze, "sie meinen: Er glaubt nicht an Gott!"
"Das gefällt mir", lachte der Verwalter; "schimpft auch der Bauer Peter Michejew?"
"Nein, mit keinem Wort. Ich habe mich über ihn gewundert!"
Die Miene des Verwalters verfinsterte sich: "Los, erzähle, was hat er angestellt?"
"Es war seltsam", fuhr der Dorfschulze zögernd fort, "ich hörte ihn schon von ferne Osterpsalmen singen, er kam im Festgewand einher; und eine Wachskerze brannte hell am Querholz und flackerte nicht im Wind - auch nicht, als er den Pflug wendete."
"Und was hat er gesagt?"
"Er sagte den Bauern, die ihn auslachten, nur: ,Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen'!"
Da versank der Verwalter in tiefes Brüten. Nach einer ganzen Weile stöhnte er:
"Besiegt hat er mich, besiegt …"

Liebe Gemeinde,

wie das? Was hatte Peter Michejew getan?
Vielleicht thematisiert der Wochenspruch am besten seine Lebenseinstellung:
Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.
… und das nicht aus euch!
Peter Michejew hatte gesagt: „Ihr begeht eine große Sünde; wir haben kein Recht über Leben und Tod. Uns bleibt nur die Geduld. Fängst du zuerst an, Gewalt anzuwenden, dann merkst du, wie das Böse plötzlich in dir sitzt.“
Es gibt viele Situationen - in der Nähe und in der Ferne - da meinen Menschen, etwas ändern zu müssen, und das mit Gewalt.
Dabei vergessen sie, wie begrenzt unsere menschlichen Möglichkeiten oft sind.
Peter Michejew lebt das anders: aus dem Glauben, er vertraut seiner Gottesbeziehung, seinem Gott.
… aus Gnade seid ihr selig geworden
Gnade begegnet uns immer wieder - in der Bibel und im Alltag:
Noah findet Gnade vor Gott,
Abraham und viele andere sprechen Gäste und Fremdlinge an:
… habe ich Gnade vor deinen Augen gefunden
Wohlwollen, mehr noch, wie wir es im 1. Titusbrief finden:
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (1. Titus 2, 4)
Im Zusammenhang der neutestamentlichen Botschaft:
Dass Gott sich als Mensch in Jesus Christus uns zuwendet, als Mensch mit uns leidet, sich für uns einsetzt, sein Leben riskiert, ja hingibt, das ist nicht zwingend, das tut Gott aus freien Stücken, aus Gnade, damit wir frei sind, frei von den vielen Zwängen, die unsere Gesellschaft uns aufzuerlegen droht:
frei vom Zwang zur Selbstverwirklichung,
frei vom Zwang, uns und anderen zu beweisen, wie cool, wie toll wir doch sind,
frei vom Zwang des „Immer mehr“.
Frei deshalb, weil wir unseren Wert nicht aus unseren Verdiensten, unseren vermeintlichen Guttaten gewinnen, sondern aus dem Vertrauen darauf, dass wir von Ihm [GOTT] wert geachtet sind, dass Seine Verbindung zu uns, das Geschenk des Glaubens, uns trägt.
Das rettet uns aus der Mühle eines immer unbarmherziger werdenden Alltags:
rettet, das ist auch die dem Urtext nähere Übersetzung:
Denn aus Gnade seid ihr gerettet worden durch den Glauben.

Allerdings:
Bei so viel Gottvertrauen müssen wir natürlich aufpassen, dass diese Zusage nicht missverstanden wird. Manchmal wird uns Protestanten ja vorgeworfen, wir vernachlässigten die guten Taten.
Und in der Tat, diese Gefahr mag im Einzelnen bestehen, wenn sich unser Glaube nur noch um uns selbst dreht.

Aber gerettet sind wir nicht nur vor den genannten Verstrickungen,
vielmehr auch, um „Arbeiter im Weinberg Gottes“ zu sein. (Papst Benedikt XVI.)
Die Freiheit ist GOTTES Geschenk, unser Dienst ist die Antwort:
gerettet, und das nicht aus uns, diese Erkenntnis unterscheidet uns von Münchhausen, der ja meint, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen zu können: ein Spiegel für manches Absurde, das auch in unserer Welt geschieht.
Zwei Verse weiter lesen wir:
Denn wir sind Sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Darin wird deutlich, was die tiefste Erkenntnis der Reformatoren war und bis heute ist:
Rettung, Gerechtigkeit und Frieden: unter uns und in der Welt.
Das ist eine Verheißung, ein Geschenk Gottes:
ER ist es, der unser Tun in seiner Nachfolge vollenden wird.
Und es ist oft wenig, was wir bewirken können.
Peter Michejew hat sich an seinem Gott festgehalten, an SEINER Verheißung, und daraus Kraft gewonnen:
Er hat die Botschaft weiter gesagt: Friede auf Erden! -
Das können wir auch, immer wieder, und darum beten, das ist es, was uns Christen gegeben ist.
Trauen wir doch GOTT etwas zu, auch Seinem Geist, der uns zum Handeln, zu guten Werken inspiriert.
Das Kreuz Christi ist kein triumphales Siegessymbol, viel mehr ein mahnendes Zeugnis in der Welt.
Und eine Kraftquelle für jeden, der an den Widersprüchen und Grausamkeiten dieser Welt leidet.
Wenn wir vergessen, dass es die Gnade und Güte Gottes ist, der wir uns verdanken: unser Leben und auch die gestaltende Kraft, die in uns ist, wenn wir das vergessen, dann drohen wir wie Münchhausen zu werden, indem wir uns über unsere vermeintlichen Stärken selbst belügen.
Vielfach scheint dies in einer auf Gewalt und militärische Macht setzende Politik so zu sein.
(Das Evangelium der Woche zeigt es uns auch in der Begegnung des Petrus mit Jesus. Nach erfolgloser Nacht vertraut er auf Jesu Wort und fährt nochmals hinaus auf den See: … auf Dein Wort hin...
ebenso verdeutlicht es die Epistel:
23 wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit;
24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 1. Kor 1
)

Lassen wir uns von einem Nichtchristen an die Mitte unseres Glaubens erinnern:
Mahatma Gandhi kam einmal in eine Kirche. Vor dem Kruzifix hielt Gandhi inne, beugte sich ehrfürchtig und verharrte so für einige Zeit.
Dann wandte er sich dem christlichen Gefährten zu, der mit ihm war, und flüsterte:
„Es ist das geduldige Leiden, das uns erlösen wird - Inder, Europäer, Afrikaner.
Ihr Kreuz, lieber Freund, predigt eine große Wahrheit für die ganze Welt!"

Aus Gnade seid ihr gerettet worden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.
Amen

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