Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 7. September 2013

Pfarrer Dr. Uwe Hauser, Karlsruhe

1. Petrus 5, 5 – 11


Liebe Gemeinde!

In unserem Garten ist zur Zeit ein Eichhörnchen fleißig bei der Arbeit. Unermüdlich turnt es über die Äste und durch die Bäume. Es sammelt Frucht für Frucht für den kommenden Winter. Es ist ein besorgtes Tierchen. Denn der Winter wird vielleicht hart sein. Und wie kann es da schon sicher sein, dass es dann genug finden wird. Schließlich kommt dann die bittere Zeit des Hungers! So lebt dieses kleine Eichhörnchen nach der Devise: Sammle in der Zeit, dann hast du in der Not! Denn es ist immer besser sich einen Vorrat anzulegen und sich gegen die Wechselfülle der Witterung abzusichern. Man weiß ja nie, was die Zukunft bringen wird.
Bisweilen streicht in diesen Tagen eine Katze durch den Garten und um den Baum herum, auf dem das Eichhörnchen herumturnt. Sie genießt jetzt im Herbst noch einmal die warmen Strahlen der Sonne. Für sie ist es ein rechter Altkatzensommer. Sie streunt herum, solange es noch warm ist. Einen Vorrat kann sie nicht anlegen, selbst wenn sie es wollte. Sie hofft darauf, dass auch im Winter der Futternapf reichlich gefüllt wird und sie bestens versorgt ist. Schließlich sorgt ein anderer für sie. So lebt sie sorglos in den Tag hinein und geht ihren Geschäften nach!

Wir Menschen gleichen wohl eher diesem besorgten Eichhörnchen denn der sorglosen Katze. Eifrig sind wir darum bestrebt, unser Leben so gut es immer geht abzusichern. Gegen allerhand Notfälle und allerhand Gefahren wollen wir gewappnet sein und für alles und gegen alles versichert. Was soll uns da die Mahnung des Apostels: "Alle eure Sorgen werft auf ihn. Er sorgt für euch." Wenn wir dieses Wort hören, kommt ein rechtes Unbehagen in uns auf: So leben doch nur Weltfremde. So leben nur Menschen, die keine Ahnung von dem haben, was im Leben zählt! Und wenn wir danach leben würden, was wäre dann zu Essen im Hause? Wovon würden die Kinder leben! Wo kämen wir da hin! Müsste ein sorgloses Leben nicht notwendigerweise schief laufen. Wäre das nicht ein Leben, von dem man am Ende sagen muss: Schaut, wohin er gekommen ist mit seinem sorglosen Leben! Es ist ihm recht geschehen, dass er jetzt nicht genug hat. Wer nicht sorgt in der Zeit, der hat auch nicht in der Not. Und wir müssen ihm beipflichten, wenn er so redet.

Aber täuschen wir uns nicht. Auch der Apostel schreibt an eine Gemeinde, die in der Welt lebt. Da gibt es auch Eltern, die ihre Kinder versorgen müssen. Jüngere, die ihren Beruf haben, die sich herumschlagen mit allerlei Geschäft. Und Ältere, die das Brot essen in ihrer Kinder Haus. Also wie ist es zu verstehen? "All eure Sorgen werft auf den Herr, er sorgt für euch.

Die Katze kann nur gelassen ihr Leben leben, weil sie weiß, es wird für mich gesorgt. Und so geht sie in aller Gelassenheit dem Geschäfte nach, zu dem Gott sie eben geschaffen hat. Sie liegt ja nicht untätig hinter dem Ofen und verschläft den guten Sommer. Nein, sie weiß, dass sie versorgt wird. Deswegen kann sie gelassen ihre Aufgabe erfüllen.
Denn das Wesen der Sorge ist die Angst. Die Angst davor, dass alles schlimmer wird. Dass es am Enden nicht reichen wird für mich. Dass ich alles schaffen muss. Aber die Angst ist ein schlechter Ratgeber und das Wesen des Unglaubens. Die Furcht bringt uns nicht weiter. Sie treibt uns immer weiter in die Absicherung hinein. Sie lässt uns misstrauisch werden. Wir vertrauen dem anderen nicht mehr. Wer aber auf Gott vertraut, braucht sich nicht zu fürchten. Vor nichts und niemand. Denn Gott sorgt für ihn. Und weil er nun den Rücken frei hat, kann er gelassen an seine Arbeit gehen. Es geht um die freien Hände, die wir haben, um das Wesentliche zu tun. Nur wer die Hände frei hat, kann das Nötige tun.

Vielleicht machen wir es uns an einer kleinen Geschichte deutlich:
Bei einem Kirchweihfest war ein Seil ausgespannt, auf dem Artisten ihre Kunststückchen vorführten. In Schwindel erregender Höhe fuhren sie mit ihren Motorrädern hin und her über das Seil und machten dabei ihre Übungen. Die Zuschauer schauten mit einem wohligen Schauer nach oben und klatschten Beifall. Da trat einer der Artisten vor und fragte, ob denn jemand aus dem Publikum mitmachen machte. Er biete dem Mutigen eine Fahrt über das Seil an. Da wurde es plötzlich ganz still. Nach einer Weile meldete sich ein kleiner Junge. "Ich will es wagen", rief er laut. Ein Raunen ging durch die Menge und alle standen mit offenem Mund da, als er nach oben auf die Plattform stieg. Atemlose Stille lag über dem Platz als er auf dem Seil entlangfuhr bis er auf der anderen Seite wieder in Sicherheit war. Dann brach der Jubel los. Als der Junge herabstieg fragten ihn die Leute: "Hast du denn gar keine Angst auf dem Seil gehabt?" "Nein", antwortete der Junge. "Der Artist ist doch mein Vater."

Darum geht es letztlich bei den Sorgen und im Glauben: Wir haben den Rücken frei und nun tun wir das, was uns aufgetragen ist. Der Glaube hat keine Angst. Er hat keine Angst vor der Zukunft und vor dem, was auf uns wartet. Er hat keine Angst vor den Menschen. Denn er ist sich gewiss, dass Gott sein Vater ist. Und an der Hand dieses Vaters lässt es sich getrost durch das Leben gehen. Da kannst du dir gewiss sein: "Wirf dein Anliegen auf den Herrn! Er sorgt für dich."

Noch einmal. Es ist damit keine fromme Naivität gemeint. Da ist nicht Ergebung und Annahme aller Ungerechtigkeit in unserem Leben damit gemeint. Wohl aber ein Leben das frei ist von der Angst, zu kurz zu kommen. Ein Leben das frei ist von der Angst, dass für mich nicht genug dabei herumkommt, dass die anderen mich über den Tisch ziehen könnten und ich am Ende mit leeren Händen dastehe. Dass es für mich nicht langt, dass der andere zu viel bekommt und ich zu wenig.
Die Angst zerstört. Aber der Glaube baut auf.

Damit hängt auch zusammen, dass "Gott den Hochmütigen widersteht, aber den Demütigen Gnade gibt." Das Kind der Angst ist der Hochmut. Der Hochmut meint, er könne alles ohne Gott besorgen. Der Hochmut meint, es ginge alles allein dadurch, dass ich alles tue. Und der Hochmut ist wie ein kleines Teufelchen, das auf meiner Schulter sitzt und mir ins Ohr flötet: "Du musst alles allein tun. Du allein muss es schaffen. Wo du nicht bist, da ist nichts getan. Aber du kannst nicht überall sein. Also ist nirgends etwas. Hilf dir selbst dann hilft dir Gott. Wenn du nicht anpackst, dann ist alles verloren. Verlass dich auf andere und du bist verlassen." So flötet es uns der Hochmutsteufel ins Ohr.
Gottlob sitzt da aber auch ein Engel, der zu uns spricht: "Vertraue alle deine Wege dem Herrn an! Verlass dich darauf, dass Er es recht machen wird. Er wird dich versorgen. Du kannst dir gewiss sein. – Er hat noch niemanden vergessen, der sich ihm anvertraut hat. Halte dich zur Gemeinde, denn da hast du Menschen neben dir, die dich trösten und aufrichten wollen. Und lass dir ihre Arbeit und ihre Hilfe gefallen. Dann wird dein Herz ruhig und deine Wege sicher werden."
Gott ist nicht mit den Faulen. Aber Gott ist mit denen, die fröhlich und gewiss ihre Hoffnung auf ihn setzen. Gott ist mit denen, die in aller Gelassenheit und ohne Hochmut das Werk tun, dass ihnen befohlen ist. Nun höre ich schon meine Konfirmanden sich die Hände reiben und sagen: "Gut Herr Hauser! Das wollen wir einmal Ernst nehmen. Was soll mir die Angst vor der nächsten Arbeit? Da werfe ich meine Angst, die durchaus berechtigt ist, denn ich habe nichts gelernt – auf Gott. Der wird es schon recht machen."
So nun ist es nicht gemeint. Gott ist nicht mit den Faulen! Aber er gibt uns Gelassenheit ohne blinden Eifer und falsche Angst, das Gute zu tun. Vielleicht kommt es darauf am Ende entscheidend an: Dass wir demütig tun, was Er uns aufgetragen hat. Demut hat keinen guten Klang in unserem Sprachgebrauch. Das klingt so nach frommem Augenaufschlag und Kloster, nach Unterwerfung und bedingungslosem Gehorsam.
Aber Demut heißt einfach: Sein wie der Christus. Denn er war von Herzen demütig. Er hat sich erniedrigt bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Und das war nichts Außergewöhnliches, sondern das Werk, das Ihm zu tun aufgetragen war.

Demütig sein heißt zu tun, was Gott mir aufgetragen hat. Das Werk tun, das Er uns befohlen hat. Er hat uns aufgetragen, nicht zu schelten, wenn man uns unberechtigterweise schilt, nicht zu hassen, wo man uns hasst, nicht zu streiten, wo keine Not ist. Er hat uns gesandt, zu lieben und zu vertrauen, alle unsere Sorgen fahren zu lassen und uns darauf zu verlassen, dass Er es wohl hinausführen wird. Er hat uns aufgetragen, den Traurigen Trost zu bringen und die Mutlosen aufzurichten, ein Ohr zu haben für die Sorgen meines Nachbarn und Zeit für meine Kinder. Er hat uns aufgetragen, die Fremden zu beherbergen und die Kranken zu besuchen, die Hungrigen satt zu machen und die Durstigen zu tränken.

Er hat uns nicht aufgetragen Karriere zu machen. Den Demütigen gibt Gott Gnade. Denen, die sich von Gott an das Werk stellen lassen, an dem Er selbst ist. Wir tun da keine fremde Sache. Gott selbst ist demütig und fragt immer danach, was uns dient. Und deshalb, weil es Gottes ureigenstes Wesen ist, deswegen werden wir Gottes Nachahmer.

Prüfe einmal, wo Gott dich braucht! Prüfe einmal, wo Er dich einsetzen will! Vielleicht ist es eine Hilfe für den Alltag: Gott hat mir die, die mich ärgern und mir Mühe machen, in den Weg gestellt, damit ich an ihnen erkenne, wie ich bin und an ihnen Geduld lerne. Er hat mir die Größe der Aufgaben in den Weg gelegt, nicht damit ich verzweifle, sondern umso fester auf ihn vertraue. Er hat mir manche Gaben vorenthalten, damit ich nicht auf mich selbst baue, sondern auch die Menschen neben mir in die Arbeit einbeziehe.

Demut ist das Wesen des Glaubens. Da bin ich mir gewiss: Ich bin nicht allein. Ich bin in der Gemeinschaft der Geschwister, die für mich einstehen. Ich stehe in der Gemeinschaft derer, die mit mir in der Kirche sind, die für mich beten, die ein offenes Ohr für mich haben, die für mich da sein wollen. Und ich bin mir gewiss: Er sorgt für mich. Vielleicht nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Vielleicht nicht so, dass alle deine Wünsche erfüllt werden. Aber immer so, dass du in aller Gelassenheit sagen kannst: Er hat es wohl getan. Sein Tun in meinem Leben war lauter Segen.
Amen.

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