Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 9. November 2013

Pfarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad


Wochenspruch: Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! (2. Kor. 6, 2)


Liebe Hausgemeinde,

heute ist der 9. November, ein geschichtsträchtiger Tag:
9. November 1918 – Ausrufung der ersten deutschen Republik
9. November 1938 – Reichspogromnacht
9. November 1989 – Mauerfall mitten in Deutschland.
8./9. November 2013 – der schwere Taifun über den Philippinen, der so viele Menschen das Leben, andere das Dach über dem Kopf und die Lebensgrundlagen kostete.
Trotz auch freudiger, Hoffnung machender Ereignisse, auf diesem Tag liegt ein Schatten, der mich zunächst erschrecken ließ, als ich diesen Wochenspruch las.

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!

Wieder wurde ich gemahnt, zuerst den Kontext des Wochenspruches zu beachten.
Paulus redet von seinem Amt, seiner Aufgabe als Prediger, seiner Aufgabe, die gute Botschaft Jesu Christi zu verkündigen:
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. (2. Kor. 6, 1)

Nicht vergeblich, wörtlich: dass das Evangelium, das ihr verkündigt, nicht ins Leere geht.
Denn wenn ihr davon erzählt, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, dass Gott in Jesus Christus die Last des Bösen auf sich genommen hat, damit wir frei sind, dann geschieht Heil.
Predigt so, dass die Menschen merken:
Mit Jesus Christus kann sich dein Leben verändern, wenn du Ihm vertraust, glaubst.
Die Botschaft ist keine Theorie oder Heilslehre, sie ist das Heil, weil dir in ihr Gott selbst begegnet.
Deshalb die eindringlichen Worte des Paulus – einige Verse vorher:
So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! (2. Kor. 5, 20)

In diesem Kontext wird der Wochenspruch zum eindringlichen Aufruf:
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Und der Akzent liegt auf: Jetzt!
Verpasst nicht den Augenblick, bleibt dabei!
Und doch: heute von Heil und Gnade zu sprechen, ist schwer angesichts des Leides vieler Millionen Menschen, für die mit diesem Tag die systematische Vernichtung begann.
Nach der Shoa von Heil und Gnade, von einem gnädigen Gott reden? Geht das?
Mit einer Geschichte von Eli Wiesel möchte ich angesichts des Datums einen Zugang versuchen.
Er berichtet:
"Im Königreich der Nacht nahm ich an einem sehr merkwürdigen Prozess teil. Drei fromme und gelehrte Rabbiner hatten beschlossen, über Gott zu Gericht zu sitzen wegen des Blutbades unter seinen Kindern."
In erregter Diskussion erhoben sie verbittert Anklage gegen Gott.
„Gott hat sein Volk dem Vergessen und damit Mördern anheim gegeben: Gott ist seinen Bundesverpflichtungen gegenüber seinem Volk in sträflicher Weise nicht nachgekommen. Wir können gar nicht so viel verbrochen haben, dass wir so gestraft werden durch diese Shoa.“
Die ganze Nacht berieten sie.
Schließlich fällten sie ihr Urteil über Gott: „Schuldig: Gott ist schuld!“
„Es war Schweigen gegen Morgen in diesem Raum“, erinnert sich Wiesel weiter, – „und dann sagte einer, der Älteste, – mit völlig veränderter Stimme:
‘Kommt Brüder, wir wollen zu Gott unser Morgengebet halten.’“

In dieser Geschichte wird etwas von der Spannung deutlich, von der auch im morgigen Gottesdienst zu reden sein wird. An Gott festhalten, auch wenn wir Ihn nicht verstehen,
wenn wir Ihn anklagen, Fragen haben, kaum noch beten können.
Gnade und Heil bedeuten eben nicht: Wohlergehen und sanftes Ruhen.
Vielmehr lerne ich, den Wochenspruch als Zusage zu verstehen:
Wo wir Gott in Jesus Christus Raum geben in unserem Leben, Seinem Wirken etwas zutrauen, da kann sich, ja wird sich auch das Böseste zum Heil wandeln.
Und was Heil dann ist, das können wir nicht wissen. Da hilft nur Vertrauen.

Einige Verse später schreibt Paulus:
In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen,
in Nöten, in Ängsten, als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben. (2. Kor. 6, 4.9.10)
Hier hören wir wieder die Spannung heraus, in der wir leben.
Wir hören die Zusage Jesu:
Das Reich Gottes ist mitten unter Euch – und sehen so viel Leid und Unrecht auf der Welt.
Als Verkündiger genauso wie als Hörende ist uns dahinein der Satz gesagt:
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Es gehört dazu auch, dass wir uns bewusst sind, wir bedürfen der Gnade Gottes in Jesus Christus, um nicht zu vergehen. Von Ihm bekommen wir die Kraft für die Aufgaben, die uns nun gegeben sind. Und die sind, zu ringen um Gottes Wirken, zu beten und zu arbeiten für Gerechtigkeit und Frieden.
Nicht irgendwann, sondern hier und heute: jetzt!
In dem allen begleitet uns Gott, wenn wir in Seiner Nachfolge handeln.
Und dabei dürfen wir nicht vergessen: Das Heil ist ein Geschenk unseres Gottes,
es ist Seine Zusage, zu einem guten Ende zu führen, was wir beginnen,
was manchmal auch unter unseren Händen zerbrochen ist.

Mit Dietrich Bonhoeffer glaube ich,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dieses Vertrauen schaut das Heil,
von dem der Wochenspruch kündet.
Amen.

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