Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 4. Januar 2014

Pfarrer Wolfgang Scharf, Karlsruhe


Wochenspruch: Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Joh. 1, 14b)


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde!

Am Altjahrsabend mit Freunden oder Nachbarn zusammen ins neue Jahr hinübergegangen – oder auch vielleicht ganz für sich allein gefeiert. Wie auch immer: nun sind wir angekommen in diesem neuen Jahr 2014, von dem wir manches schon wissen, was es bringen wird – vieles aber uns noch nicht bekannt ist und dies in manchen Fällen auch Gott sei Dank noch nicht bekannt ist.

Weihnachten liegt irgendwie schon weit zurück. Schon längst ist das Geschenkpapier, das bei uns schon mit einer gewissen Tradition am Heiligen Abend – oder wie in diesem Jahr erst am 1. Weihnachtstag – hinter dem Sofa landet, beim Altpapier abgelegt, sofern nicht das eine oder andere Stück noch tauglich war für kommende Geschenke. Die Weihnachtsbaumsammelstellen sind eingerichtet, das Abdekorieren des weihnachtlichen Schmucks nur noch eine Frage weniger Tage oder Stunden.

Der Besuch der Kinder liegt Tage zurück. Sie haben ihre eigenen Dinge zu tun, sind gefordert im Beruf oder einfach noch unterwegs an freien Tagen. Viel Zeit für Nähe und Begegnung bleibt da für uns nicht mehr.

Ist damit fast schon wieder der Alltag aus– und angebrochen? Wenn es nach dem Takt geht, den unsere Welt vorgibt, dann ist dem so. Die ersten Börsen haben geöffnet. Die Kurse von Fiat sind ob des Aufkaufs von Chrysler mächtig gestiegen, so in den Nachrichten zu hören. Das Umtauschgeschäft läuft und spätestens am Dienstag sind alle wieder bei der Arbeit und müssen aufarbeiten, was liegengeblieben und inzwischen schon wieder aufgelaufen ist.

Es wäre wirklich eine traurige Angelegenheit, wenn dies alles wäre, was wir so wenige Tage nach Weihnachten festzustellen hätten. Endet die Menschwerdung Gottes damit, dass wir den Heiligen Abend gefeiert haben, das Kind in der Krippe anschauend und dann in einen Alltag zurückkehren, der sich durch die Begegnung mit Gottes Sohn nicht verändert hätte?

Der Wochenspruch zu dem morgigen 2. Sonntag nach Weihnachten erinnert uns sehr deutlich daran, dass wir in diesem Kind, dem fleischgewordenen Wort Gottes, die Herrlichkeit Gottes selbst sehen konnten und können. Dieses Wort lautet ja: „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh. 1, 14b)

Wie geht das mit dieser Herrlichkeit Gottes, die wir sehen können? Die Bibel berichtet in den Evangelien davon, wie Jesus die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes mit sich auf einen hohen Berg nahm. Dort wurde er verklärt. Die Jünger wollten ihm, Mose und Elia Hütten bauen. Denn Petrus brachte es auf den Punkt: Hier ist gut sein. 

In dieser Nähe Jesu ist wirklich gut sein. Wer kann es den Jüngern verdenken, dass sie sich danach sehnen, diese Nähe Gottes – die uns ja auch als Wort der Jahreslosung durch dieses Jahr begleiten wird – nicht nur für den Moment, sondern dauerhaft zu machen. Jesus soll immer gegenwärtig sein. Und dies nicht nur auf dem Berg der Verklärung, nicht nur am Heiligen Abend und den Stunden danach, sondern in unserem Alltag. Denn der Alltag vermag uns unglaublich zuzusetzen und uns die Sensibilität für die Herrlichkeit dieser Gegenwart Gottes in Jesus Christus zu nehmen, ja zu rauben.
Gewohnheiten lassen uns unseren Gang gehen. Die eigene Wahrnehmung vom Älterwerden und den Zeiten, die oft als schlechter werdend gegenüber der Vergangenheit erlebt werden, lassen uns allzu oft nicht mehr mit der Nähe und der Gegenwart Jesu rechnen. Gott ist zwar dann schon noch da, aber eben irgendwie nicht so ganz in der Nähe. Das Erleben, dass Jesus Christus Mensch geworden ist, dass er gegenwärtig ist – auch hier und heute – dieses Erleben ist vielfach erloschen.

Manchmal helfen uns dann Geschichten, um unseren Alltag wieder mit den Augen Gottes sehen zu lernen. Eine solche Geschichte habe ich heute Morgen gehört und Ihnen mitgebracht.

Diese Geschichte handelt von einem berühmten Kloster mit einer großen Geschichte. Dort hat sich über die Jahre etwas verändert. Die Mönche sind immer älter geworden. Kaum junge Leute interessieren sich mehr für das Leben der Glaubensgemeinschaft. Am Sonntag ist der Gottesdienst schlecht besucht und die Stimmung unter den Brüdern leidet. Der Abt erkennt das und macht sich Sorgen um die Zukunft seines Klosters.

In seiner Verzweiflung geht er in die Berge und besucht einen bekannten Einsiedler und schildert ihm seine verzweifelte Situation. Der Einsiedler hört ihm aufmerksam zu. Dann schweigt er lange und schließlich sagt er: „Ich weiß, warum es mit eurem Kloster immer schlechter geht.“ „Ja warum denn?“, fragt der Abt. „Ihr leidet“, sagt der Einsiedler, „an der Sünde der Ahnunglosigkeit.“ „An der Sünde der Ahnungslosigkeit?“, fragt der Abt. „Aber was ist das? Und: was muss ich mir darunter vorstellen? Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Nun“, sagt der Einsiedler, „ihr seid tatsächlich ahnungslos.“ Und dann beugt er sich vor und schaut dem Abt in die Augen. „Ja wisst ihr denn nicht, dass der auferstandene Christus in eurem Kloster lebt? Unerkannt natürlich, inkognito.“

Der Abt ist für einen Moment sprachlos. Der Auferstandene in seinem Kloster!? Er will mehr dazu von dem Einsiedler wissen, aber der schweigt und gibt ihm zu verstehen, dass er alles gesagt hat, was er sagen kann.

Nachdenklich macht sich der Abt auf den Heimweg, innerlich aufgewühlt von dem, was er erfahren hat. Christus, der Auferstandene in seinem Kloster, verkleidet als einer seiner Mitbrüder. Nach und nach hält er sich in Gedanken jeden vor Augen. Der Bruder Prior: Nein, das ist unmöglich. Der Bruder Cellerar: Nein, undenkbar, so vergesslich er auf seine alten Tage geworden ist. Der Bruder Koch: Nein, bei dem Essen: unmöglich! Was er auch denkt und wie er auch in sich geht: er findet an jedem seiner Mitbrüder etwas, das es unmöglich macht, dass ausgerechnet dieser Christus sein könnte.

Zurück im Kloster versammelt er seine Mitbrüder und erzählt ihnen, was ihm der Einsiedler offenbart hat. Als er damit fertig ist, reden die Brüder eine ganze Weile aufgeregt durcheinander, so dass der Abt Mühe hat, die Ruhe wieder herzustellen. Aber so lange sie sich auch noch miteinander beraten: sie finden nicht heraus, wer unter ihnen Christus sein könnte. Nach langen Diskussionen sind sie sich einig: was sie auch tun, sie werden nicht herausfinden können, wer unter ihnen der Auferstandene ist. Nachdenklich gehen sie auseinander, jeder seiner Arbeit nach.

Von diesem Tag an ändert sich etwas in dem Kloster. Wenn zwei Brüder sich begegnen, grüßen sie sich freundlich und warmherzig, denn jeder der beiden denkt: Vielleicht ist ja der andere Christus. Wenn ein Bruder Hilfe braucht, ist sofort ein anderer da, der ihm hilft, denn jeder denkt: vielleicht ist ja der, der dort Hilfe braucht, der Auferstandene. Langsam beginnt das Kloster neu aufzuleben. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Brüder spricht sich herum. Junge Männer wollen dem Kloster wieder beitreten und die Sonntagsgottesdienste füllen sich wieder. 

Ob diese Geschichte nicht fast ein wenig zu optimistisch endet, habe ich mich gefragt. Aber eines habe ich von dieser Geschichte in jedem Falle mitgenommen und lade auch Sie dazu ein. Schauen Sie doch einmal rechts und links, wer mit Ihnen in der Kirchenbank sitzt.
Amen.

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