Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 15. Februar 2014

Pfarrer Volker Fritz, Waldbronn / Karlsbad


Wochenspruch: Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit. (Dan. 9, 18)


Liebe Gemeinde,

es geht um das Gebet.
Drei Fragen bzw. Themenkreise möchte ich anhand des Wochenspruches bedenken:
• was ist und was bedeutet für uns Beten?
• wir bitten Gott und flehen zu Ihm – und wenn Gott nicht antwortet?
• wie ist das mit unserem eigenen Zutun?

Was ist und was bedeutet für uns Beten?
Eine alte Legende erzählt:
ein König besuchte einst den alten und gelehrten Mönch Paulinus in dessen Zelle. Er wollte sich bei ihm Rat holen. Staunend stand der König vor der Fülle dicker Bücher und Folianten.
"Ich beneide dich, Paulinus", sagte er, "dass es dir vergönnt ist, die göttliche Weisheit in all diesen gelehrten Werken einzufangen."
"Du irrst", entgegnete der Mönch, und er führte den König in den Stall, wo der Bruder Stallmeister seine Arbeit für ein kurzes Gebet unterbrochen hatte.
"Aus diesen gefalteten Händen", sagte Paulinus, "strömt Gottes Kraft in unsere Welt – nicht aus meinen Büchern."

Demut nennt man das mit einem alten Wort.
Sich Gott und seiner lebensspendenden Kraft anvertrauen, und nicht allein auf die eigenen Kräfte, das eigene Wissen zu setzen.
Beten – aus Gottes Nähe, aus der Verbindung mit Ihm Kraft schöpfen.

Unser Text ist Teil eines großen Gebetes, das Daniel formuliert.
Das Volk Israel ist jetzt schon lange Zeit in der Fremde.
Daniel liest beim Propheten Jeremia: "Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe." (Jer. 29,10)
Daniel sieht, diese 70 Jahre sind vergangen, und noch immer sind er und seine jüdischen Geschwister in der Fremde.
Er stimmt seine Klage an, "Ach, Herr, Du großer und heiliger Gott, der Du Bund und Gnade bewahrst denen, die Dich lieben und Deine Gebote halten! Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von Deinen Geboten und Rechten abgewichen." (Dan. 9,4b.5)
Er bekennt für sich und sein Volk: wir sind unseren Weg ohne Gott gegangen.
Und er erinnert seinen Gott: "Und nun, Herr, unser Gott, der Du Dein Volk aus Ägyptenland geführt hast mit starker Hand und hast Dir einen Namen gemacht, … Ach Herr, um aller Deiner Gerechtigkeit willen wende ab Deinen Zorn und Grimm von Deiner Stadt Jerusalem und Deinem heiligen Berg." (Dan. 9,15.16a)
Er fleht Gott an, immer wieder.
Und dahinein gehört auch unser Wochenspruch: "Wir liegen vor Dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit." (Dan. 9,18)

So hören wir Daniels Beten: es ist ein Klagen, aber auch das Bekenntnis, ich habe, wir haben abgesondert von Gott gelebt und gehandelt, – das ist unsere Sünde –
Und er bittet Gott, fleht Ihn an: "Wende Dich wieder uns zu!"
Am Ende des Kapitels tritt Gabriel, der Bote Gottes zu ihm und sagt ihm zu: "Die Zeit ist erfüllt. Jerusalem wird wieder aufgebaut."
Soweit zum Kontext unseres Wochenspruchs.

Daniel und Israel haben es erfahren: Gottes Zusage hat sich erfüllt.
Wir können das in den Büchern Nehemia und Esra nachlesen.
Beten ist hier ein einziges Flehen, Bitten, mit Gott Ringen.

Schauen wir uns darauf hin das Vaterunser an, das Gebet, das uns Jesus gegeben hat.
Da entdecken wir: Es besteht nach der kurzen Ehrerbietung: ´Geheiligt werde Dein Name` zunächst nur aus Bitten: ´Dein Reich komme. Dein Wille geschehe ... Unser Tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld … Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.`
So wird es uns in den ältesten Schriften überliefert.
Erst in späteren Handschriften ist überliefert, dass die Gemeinde den Lobpreis ergänzt:
´Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Ich denke, hier wird ein feines Gespür erkennbar: Eine Beziehung muss von mehr als von Bitten, oder gar Fordern geprägt sein.
Zu einer guten Beziehung gehört Achtung, ja eine gewisse Form der Ehrerbietung.
„Was ist Beten“, wurde einmal ein frommer Mensch gefragt.
Nach kurzem Nachdenken sagte er: „Beziehungspflege mit Gott.“
Ja, das ist es. Freundschaften unter uns pflegen wir ja auch!
Eine solche Haltung bewahrt uns auch davor, Beten mit dem Heischen nach Wunscherfüllung zu verwechseln.
Was aber wenn – wie Daniel es entdeckt – sich Zusagen Gottes nicht so erfüllen, wie sie gehört und überliefert werden?
Da gilt es dann, die Verbindung nicht abreißen zu lassen, auch in solchen Irritationen an Ihm festzuhalten, es Ihm zu klagen.

• es kann ja sein, dass wir gar nicht gemerkt haben, wie und durch wen Gott in unserem Leben bereits handelt
• es kann sein, dass wir Gottes Verheißungen mit unseren Vorstellungen und Wünschen verwechseln, dass wir das Prophetenwort vergessen haben: Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. (Jes. 55,8)
• Jesu Beten in Gethsemane lehrt uns auch den Satz: “doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ (Luk. 22,42)

Wenn Paulus von der Torheit des Kreuzes spricht, veranschaulicht er uns damit, wie schwer es ist, Gottes Wege zu erkennen – und anzunehmen.

Bleibt zuletzt die Frage: Wie ist es mit dem Zusammenhang von Gottvertrauen und eigenem Zutun, was ist unsere Aufgabe im Beten?
Auf Ihn trauen heißt auch, aus dem Gebet heraus Verantwortung übernehmen.
Jochen Klepper sagt es in seinem Lied so:

Die Hände, die zum Beten ruhn,
die macht er stark zur Tat.
Und was der Beter Hände tun,
geschieht nach seinem Rat. EG 457,11

Nochmals zur Veranschaulichung eine Erzählung aus dem großen Schatz jüdischer Geschichten:
Eines Tages kommt der Rebbe (Rabbi) von Krakau in das Zimmer, in dem sein Sohn im tiefen Gebet versunken ist. In der Ecke steht eine Wiege, das Kind in der Wiege weint – immer lauter.
Der Rebbe sagt seinem Sohn: "Hörst du nicht – das Kind weint?"
Der Sohn antwortet unwirsch: "Vater, ich war in Gott versunken."
Da sagt der Rebbe: "Wer in Gott versunken ist, sieht sogar die Fliege, die auf der Wand kriecht."

Beten darf uns nicht zum Rückzug aus der Welt verleiten – so ist das "stille Kämmerlein" nicht gemeint; wir dürfen die ganze Welt „ins Gebet nehmen“.
Und wir sind aufgefordert, in ihr zu handeln, in der Nachfolge Jesu Christi.
Das meint auch das mönchische Motto: ora et labora – bete und arbeite!
Beten entbindet uns nicht vom Handeln, aber es gibt unserem Handeln Kraft, Zuversicht und Richtung.
Das haben viele Beter zu allen Zeiten erfahren:
Gott hört uns, Gott hört uns zu, auch wenn er nicht immer so antwortet, wie wir uns das erhoffen.
Auch um seine Antwort zu hören, zu vernehmen, bedarf es der Stille, des Gebets.
Auf Gott hören, Ihm in Jesus Christus nachfolgen, das geht ja nur, wenn wir die Verbindung halten und pflegen.
Viele, die vor Ihm im Gebet und Flehen lagen, sind im Vertrauen auf Ihn aufgestanden. Ermutigt und voll Kraft haben sie an ihrem Ort etwas aufscheinen lassen von der guten Botschaft Gottes:
Gottes Welt, Sein Reich ist nahe. Etwas von Seinem Heil ist erfahrbar.
Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir entdecken, es gibt sie, die Welt, in der Sein Wille gelebt wird, in der Sein Heil erfahren wird.
„Wo bist Du?“ ruft manch Kranker und Leidender.
Und spürt dann vielleicht: in meinem Leiden begegne ich Ihm, der den Weg durch das Leiden gegangen ist, immer wieder geht – mit uns – bis alles Leid und der Tod
endgültig überwunden sind.
An Ihn dürfen wir uns halten, an Ihm aufrichten:
Wir liegen vor Dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit.
Amen.

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