Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 22. Februar 2014

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe


Wochenspruch: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebr. 3, 15)

Lukas 8, 4 – 8


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

„eine große Menge“ war herbeigeeilt zu Jesus. So wie heute manchmal große Mengen herbeieilen in unsere Kirchen – an Heiligabend oder zur Konfirmation oder manchmal bei Beerdigungen. Bunt zusammengewürfelt, mit sehr unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen oder einfach nur neugierig.
Jesus stört sich nicht an den unterschiedlichen Erwartungen, auch nicht daran, dass manche vielleicht gar nichts erwarten.
In den Evangelien wird öfter erzählt, dass große Mengen zu ihm kommen. Manchmal heißt es dann: „Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften.“ Ein anderes Mal: „Und sie jammerten ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ In unserer Geschichte heißt es einfach: „Und er redete in einem Gleichnis.“
Und was er in dem Gleichnis erzählt, ist genau das, was er selber tut: „Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen.“

Ich sehe diesen Sämann vor mir, wie er gelassen den Samen ausstreut, in ruhigen Schritten, mit weit ausholenden Bewegungen. Dann wird er pflügen. Das Wachsen aber, das geschieht ohne sein Zutun, im Dunkel der Erde.
Jesus streut den Samen seines Wortes aus, gelassen und geduldig, in warmer Liebe zu den Menschen, ohne nach ihrer Disposition zu fragen, im Vertrauen auf das Wachsen der Saat in den Herzen der Menschen.
Dabei macht sich Jesus genauso wie ein wirklicher Sämann keine Illusionen: Er weiß es ganz genau: Einiges fällt auf ganz festgetretene Stellen; da kann man gar nicht pflügen. Da bleibt der Same ein Raub der Vögel. Und einiges fällt auf harten Fels; da hat der Same keine Möglichkeit zu wurzeln, keine Nahrung zum Wachsen. Und einiges wird erstickt von den Dornen und Disteln unseres Lebensackers.
Und einiges – und er stellt keine Berechnungen auf, wie groß dieser Anteil wohl sein wird, ob sich die Säerei rechnet, ob nach EKD–Vorstellungen die Taufquote erreicht wird – einiges fällt auf fruchtbares Land. Und das geht auf und bringt hundertfältig Frucht. Da, wo der Same auf gutes Land fällt, wo das Wort der Liebe und des Trostes, des Erbarmens in offene hörbereite Herzen fällt, da trägt es eine Frucht, die eigentlich gar nicht zu messen ist. Da wird Leben verwandelt. Da geht in dunklen Tagen ein Licht auf. Da wächst uns Lebenskraft zu, die unser Verstehen übersteigt.

Wenn ich recht sehe, liebe Gemeinde, dann sind mit den verschiedenen Gegebenheiten des Untergrundes, auf den das Wort Jesu fällt, nicht verschiedene Menschengruppen gemeint. Etwa hartgesottene Atheisten, die immun sind (oder zu sein glauben) gegen Gottes Wort, bei denen das Wort also auf Felsen fällt; oder die oft zitierten „Kirchenfernen“, die eigentlich ganz andere Dinge im Kopf haben, bei denen also Dornen und Disteln die gut gemeinte Heiligabendpredigt gleich wieder überwuchern; und dann natürlich wir, die wir selbstverständlich das „gute Land“ sind, wo die Saat fröhlich aufgeht und wächst und hundertfältig Frucht bringt! So einfach scheint mir das nicht zu sein.
Dazu kenne ich mich selbst zu gut, um genau zu wissen:
Auch mein Herz ist zuzeiten verschlossen – weil ich enttäuscht bin, verbittert wegen einer schlimmen Erfahrung; abweisend gegen allzu billigen Trost aus lieblos dahin gesagten Bibelsprüchen, die mich im Augenblick eher wütend machen, als dass sie mir helfen könnten.
Auch in meinem Leben gibt es Zeiten, wo die Dornen und Disteln meines Lebens überhand nehmen – zuviel Arbeit, zuviel Hektik, zuviele Termine, zuviele Menschen, die an mir zerren, etwas von mir wollen; zu wenig Stille und Muße zum Hören, zum Verkosten des Gotteswortes.
Nein, ich bin nicht immer „gutes Land“; mein Herz ist nicht immer hörbereit – und manchmal spüre ich, wie Gutes an mir vorbei rauscht, wie gute Worte zwar meine Ohren erreichen, aber nicht mein Herz, wie ich Trostworte nur wie aus weiter Ferne vernehme.

Und nun höre ich den Wochenspruch, und er macht mir fast ein wenig Angst: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.
Verstocke ich mein Herz? Und was soll, was kann ich tun, dass ich es eben nicht verstocke?
Wird das Wort, das heute zu mir gesprochen wird, morgen noch einmal gesprochen werden – morgen, wenn ich wieder hörbereiter bin?
Oder erkenne ich die Stimme, die ich höre, nicht als seine Stimme? Weise ich Menschenwort ab, weil ich nicht begreife, dass ER im Menschenwort zu mir reden will?

Mein Fragen lässt mich an den verzweifelten Ruf des Hauptmanns denken: „Herr, ich glaube – hilf meinem Unglauben!“
Ich glaube, ich kann meinen Glauben nicht machen. Ich glaube, ich kann mich mit meinem Sehnen nur ihm ausliefern, vertrauensvoll nach ihm die Hände ausstrecken: Herr, verstocke du mein Herz nicht, sondern öffne es! Mach mich hörbereit! Lass mich deine Stimme nicht überhören, wenn du mich ansprichst!

Es gibt wohl diese dunklen Zeiten im Leben, Zeiten der „Gottesfinsternis“ sozusagen, wo sich dicke Wolken zwischen Gott und mich schieben. Solche Zeiten sind schwer auszuhalten. Und wir sind dann leicht geneigt, anderen oder gar Gott selber die Schuld dafür zuzuschieben: Wie können mich Gott und die Menschen so verlassen?
Die Einsicht, dass die Ursache des Dunkels nicht darin liegt, dass keiner verständlich mit mir spricht, sondern darin, dass mein Herz verschlossen ist, warum auch immer, ist schon ein Schritt, um die Hand zu ergreifen, die mich aus meiner „Verstocktheit“ herausführen möchte. Die Einsicht, dass ich nur hören kann, wenn ich hören will, ist schon ein erstes Hören, ein Aufbrechen meines Herzens. Die Einsicht, dass es selbst im Glauben nicht an meinem Wollen oder Laufen liegt, sondern an Gottes Barmherzigkeit, wie es vorigen Sonnatg im Predigttext hieß, hilft mir, mich vertrauensvoll in diese Barmherzigkeit hineinfallen zu lassen.
Paulus setzt sich mit dieser im Grunde nicht wirklich lösbaren Frage fast bis zur Schmerzgrenze auseinander: Ich will ja, aber ich kann nicht! Und gelangt darüber zum Loben: „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!“ (Röm. 7)

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. Tut, soweit es an euch liegt, alles, acht zu haben auf die manchmal so leise Stimme oder auch ferne Stimme der Liebe, des Trostes. Nutzt die Zeiten und Orte der besonderen Gottesnähe, z.B. die Passionszeit, das Hören wieder einmal bewusst einzuüben, die Stille wieder einmal bewusst zu suchen. Und vertraut auf sein Erbarmen, das euer Sehnen und Hoffen sieht, das euch liebevoll nachgeht in euer Dunkel, euch Ohren, Augen und Herzen öffnen wird, wie er Taubstummen und Blinden geholfen, Armen und Gefangenen das Evangelium gesagt hat.
Amen.

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