Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 15. März 2014

Pfarrer Theo Freyer, Karlsruhe


Wochenspruch: Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Röm. 5, 8)


„Gedenktag für bedrohte und verfolgte Christen“

Markus 12, 1 – 12

Von den bösen Weingärtnern


Zeig uns dein königliches Walten,
bring Angst und Zweifel selbst zur Ruh.
Du wirst allein ganz Recht behalten.
Herr, mach uns still und rede du! Amen.


Der morgige Sonntag soll also ein Gedenktag für heute bedrohte und verfolgte Christen sein. Doch wenn von Christenverfolgung die Rede ist, gehen unsere Gedanken eher in die Vergangenheit. Wir wissen noch vom Religionsunterricht her, dass die Kirche in den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte eine Märtyrerkirche gewesen ist, die mal mehr, mal weniger harten Verfolgungen ausgesetzt war.

Und da es in unserer näheren Umgebung eine Reihe von Waldensergemeinden gibt, haben wir auch von den Fluchtwegen der Waldenser im 13. Jahrhundert gehört und je nach dem auch vom Schicksal der Hugenotten im 16. Jahrhundert. Aber das ist alles lange her.

Lebendig ist in unserer Erinnerung dagegen die Kirchenfeindlichkeit der Nazis und der DDR-Regierung. Doch auch diese Jahre sind vorüber; wenn auch die Spuren, die sie hinterlassen haben, noch lange spürbar sein werden.

Wir leben in der Gegenwart und müssen wissen wovon wir reden und für wen wir beten, wenn es um Christenverfolgung heute geht. Wie man das so macht, wenn man auf dem Laufenden sein will, bin ich ins Internet gegangen und habe das Stichwort „Christenverfolgung“ eingegeben, und ich bin erschrocken über das Ausmaß dessen, was ich da zu lesen bekam:

Gegenwärtig ist das Christentum die weltweit am stärksten unterdrückte Religionsgemeinschaft. Etwa hundert Millionen Christen werden in 50 Ländern wegen ihres Glaubens mit Misshandlungen, Folter, Vergewaltigung, Gefängnis oder Tod bedroht. Der Anteil der Christen unter den Menschen, die ihrer Religionszugehörigkeit wegen ermordet werden, beträgt weit über 90 %. Man schätzt, dass pro Jahr etwa 100.000 Christen ihren Glauben mit dem Tod bezahlen. (Andere Schätzungen gehen von noch weit höheren Zahlen aus.) Zu den Ländern, in denen Christen besonders bedroht sind, gehören Nordkorea, Indien und vor allem die islamische Welt: Ägypten, Afghanistan, Irak und Iran, Pakistan, Saudi-Arabien, Somalia und die Türkei. Das Unheimlichste aber an dieser Feindschaft gegenüber dem Glauben ist die „globale Stille“, – die traurige Tatsache, dass kein Aufschrei durch die Welt geht, dass Regierungen tatenlos zusehen und das Unrecht geschehen lassen, und dass Kirchen in Ländern mit gesetzlich garantierter Religionsfreiheit fast tatenlos ihren religiösen Frieden genießen.

Doch Jesus hatte den Seinen ja nicht verheißen, dass sie Jedermanns lieb Kind und überall gern gesehen sein werden. Ganz im Gegenteil: „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe!“ hatte er gesagt, und er hatte gewusst, dass die Zeit der „bösen Weingärtner“ längst nicht vorüber ist. Immer wieder erhoben die wechselnden Herren dieser Welt ihre Herrschaftsansprüche, und sie wurden misstrauisch und ärgerlich, wenn ihnen widersprochen wurde mit dem Bekenntnis: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“

Die Römischen Kaiser konnten es nicht ertragen, wenn Christen die Teilnahme am Kaiserkult verweigerten. Hitler gefiel es, wenn seine Gefolgschaft in einem ihrer Lieder sang: „Mein Führer, du allein bist Weg und Ziel!“ Und die Machthaber in der DDR wollten neben dem Kommunistischen Manifest kein anderes Evangelium gelten lassen. Doch für sie alle galt – das lehrt die Geschichte – „Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt!“ Nur darf diese Glaubenserfahrung für uns nicht zum Ruhekissen werden. Unsere verfolgten Schwestern und Brüder werden heute gequält und brauchen heute Bekennermut, um nicht von ihrem Glauben abzufallen. Darum brauchen sie heute die Proteste der Ökumene und der Staaten und ganz besonders unser Gebet, – unsere inständige Fürbitte. Und darum hat der Sonntag Reminiscere als Gedenktag für verfolgte Christen seine aktuelle Bedeutung.

Nun lesen wir den heutigen Predigttext in einem Land, in dem sich zurzeit die bösen Weingärtner scheinbar zurückhalten. Niemand verfolgt uns, und niemand unter uns wird seines Glaubens wegen benachteiligt. Gibt es also keine Konflikte zwischen uns und den bösen Weingärtnern? Und können wir es darum bei der Fürbitte für die Verfolgten in anderen Ländern belassen und abwarten, wann und wie Gott sein Volk rettet und seinen Feinden gebietet: Bis hierher und nicht weiter?

Ich frage: Haben sich die bösen Weingärtner hierzulande wirklich zurückgezogen? Können wir ehrlichen Glaubens immer noch das Märchen vom Christlichen Abendland weiter erzählen? Beim Blick in die dünn besetzten Kirchen müssen wir fragen: Sag’ mir, wo die Christen sind? Wo sind sie geblieben? Sie wurden nicht wie einst in der Arena den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen oder auf Scheiterhaufen verbrannt, und ihnen wurde nicht in Folterkammern das Rückgrat gebrochen. Ihre Vernichtung geschah und geschieht auf viel subtilere und raffiniertere Weise. Was heute geschieht heißt verharmlosend „Säkularisierung“ und meint die Verführung zu einem Leben ohne Gott, ohne Glauben, ohne Bibel, ohne Gebet, – ein Leben in Freiheit, wie es scheint, – doch der Schein trügt. Der autonome Mensch ist nicht so frei wie er es gerne glauben möchte. Nachdem er sich der Obhut und Führung Gottes entzogen hat, ist er in die Fänge der Götzen geraten.

„Sollte Gott gesagt haben…? – dieses teuflische Fragezeichen hat nichts von seiner verführerischen Macht verloren. „Ihr werdet sein wie Gott!“ Welche scheinbar herrlichen und doch zerstörerischen Aussichten! Der Teufel, der geheime Befehlshaber der bösen Weingärtner kommt bewusst nicht mit Pferdefuß und Schwefelgestank daher. Er trägt meist eine Tarnkappe und unterschiedliche Gewänder. Aus der Versuchungsgeschichte Jesu wissen wir, dass er sehr menschenfreundlich und sozial reden und sogar die Bibel zitieren kann.

Und nun tut er für die Menschheit angeblich etwas Gutes, indem er uns aus der „Zwangsjacke“ der Gebote Gottes befreien will. In Wirklichkeit aber führt er uns in die Irre. Die Gebote hat uns Gott als Lebenshilfe gegeben, als Anleitung für ein gelingendes Leben. Die Gebote sind ein Geschenk der Liebe Gottes, und sie zeigen uns, wie wir als die Geliebten Gottes liebend miteinander leben können.

Der Herr des Weinbergs erwartet Früchte, – Früchte die dort reifen, wo Glaube und Liebe in den Herzen der Menschen wohnen. Wo Menschen aber wie Gott sein wollen, d.h. wo sie nach eigenem Gutdünken leben und selbst entscheiden wollen, was für sie gut und nützlich ist, da gibt es nur faule Früchte.

Wir können das Bild vom Weinberg und seinem Besitzer und den bösen Weingärtnern verlassen. Damals sprach Jesus von den religiösen Repräsentanten des Volkes, die seine Botschaft ablehnten. Heute geht es für uns um die Weltanschauung des autonomen Menschen. Dieses Welt– und Lebensverständnis ist ein sehr verschiedenartiges: Aberglaube und Esoterik, philosophische Denkgebäude und blanker Materialismus, – alles ist anzutreffen, nur eines haben alle gemeinsam, sie wollen ohne Gott, den Vater Jesu Christi, auskommen.

In der Geschichte vom Turmbau zu Babel sind die Menschen, die sich von Gott abwenden und sich selbst einen Namen machen wollen, abgebildet. Der Turm, der bis gen Himmel reichen sollte, bleibt ein kleines Türmchen, eine Blamage  für die stolzen Turmbauer. Nicht anders verhält es sich mit der schönen neuen Welt des autonomen Menschen.

Wir kennen sie zur Genüge. Es ist die Welt, in der immer mehr Familien nicht mehr der bergende Raum sind, in dem Eheleute, Eltern und Kinder vertrauensvoll zusammen leben; – die Welt, in der Besitz und Konsum für viele zum Lebensinhalt schlechthin geworden sind; – die Welt einer Ellenbogengesellschaft, in der jeder sich selbst der Nächste ist; – die Welt, in der unter den Anforderungen der Leistungsgesellschaft Menschen innerlich zugrunde gehen; – die Welt ohne Sonntag zum Aufatmen; – die Welt, in der Gottes Schöpfung nicht bewahrt, sondern rücksichtslos ausgebeutet wird. So ist die Welt, einstmals Gottes gute Schöpfung, zum Tummelfeld des autonomen Menschen geworden, der in einer falsch verstandenen Freiheit nicht Leben gewinnt, sondern zerstört.
Erkennen wir: auch Verführen und Einschläfern können Methoden der Christenverfolgung sein!

Doch auch dieses Gleichnis von den bösen Weingärtnern hat es zuletzt mit der Gnade Gottes zu tun. Die Gnade besteht darin, dass wir uns, solange wir noch Lebenszeit haben prüfen und fragen können, welcher Art unsere Arbeit im Weinberg Gottes ist, ob wir treue Knechte sind, die gute Arbeit verrichten und gute Früchte bringen, Früchte der Liebe zum Segen für unsere Umwelt, für unsere nahen und fernen Nächsten.

Und dieses Gleichnis stellt zugleich die Frage nach unserem Bekennermut. Wie schon gesagt, wir erleben in unseren Tagen und in unserem Land keine gewaltsame und blutige Christenverfolgung; aber unser Bekenntnis ist auch hier und heute in Gefahr. Ich denke, wir alle werden da unsere je eigenen Erfahrungen haben. Der Spott und die Häme der autonomen Zeitgenossen machen vor keinem bekennenden Christen Halt. Das Belächeltwerden kann in der eigenen Familie anfangen und geht weiter durch Verwandtschaft, Nachbarschaft, Freundeskreis und bis zum Arbeitsplatz und den Rentnerwohnheimen. Und der Spott tut dann besonders weh, wenn er von Menschen kommt, die wir mögen und mit denen wir uns in anderen Bereichen gut verstehen. Da geschieht es schnell, dass wir schweigsam werden, und die Menschen in unserem Umfeld fragen dann zu Recht, was unser Glaube letztendlich wert ist?

Sag mir, wo die Christen sind? Wo sind sie geblieben? Zu viele sind in Deckung gegangen. Gott bewahre uns davor, dass wir zu ihnen gehören!
Amen.

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