Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 7. Juni 2014

Pfarrer Wolfgang Scharf, Karlsruhe


Wochenspruch: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sach. 4, 6)


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde!

„Und wenn der Tod uns eine Mahnung in die Seele legt, so ist es das Wort des Vaterunsers: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden!“, so die Worte, die der katholische Stadtpfarrer August Stumpf von der Stephanskirche an den Gräbern der Toten des Luftangriffs vom 15. Juni 1916 auf Karlsruhe sprach. Während August Stumpf den Fliegerangriff von 1915 noch als Prüfung Gottes interpretierte, führte er in seiner Trauerrede nach dem zweiten schweren Angriff am 22. Juni 1916 aus: „Nicht Gottes Wille war es, der uns dieses Unglück sandte, nein, Menschenhass und Menschentücke haben dieses Leid über uns gebracht.“ Soweit ein Zitat aus der heutigen Ausgabe der Badischen Neuesten Nachrichten.

Menschenhass und Menschentücke, Heer und Kraft – sie wirkten mächtig in jenem Krieg, dessen wir in diesem Jahr 2014 unter verschiedensten Gesichtspunkten gedenken. Wie sehr hatten sich die Mächtigen der damaligen Zeit auf ihre Heere und deren Kraft verlassen und sich in jenen unsäglichen Krieg gestürzt, der viele Millionen Menschen das Leben kostete. Und mehr noch: der durch seine Festlegungen, Reparationszahlungen den Keim für jenen zweiten Weltkrieg und viele weitere Konflikte legte, die das vergangene Jahrhundert erschütterten.

Heer und Kraft – sie stehen auch in unseren Tagen nicht an der Seite, sondern haben Konjunktur. Nicht nur die Jüngeren, sondern wie ich vermute, besonders Sie, die Älteren, die wissen was Krieg, Not, Vertreibung und Kriegsnöte bedeuten, sehen mit Sorge auf die Entwicklungen der letzten Wochen in der Ukraine. Was braut sich hier zusammen? Wie sehr setzen Menschen auf Heer und Kraft? Welche Ängste steigen hier auf und setzen Abwehrmechanismen in Gang. Längst vergangene Töne des kalten Krieges erklingen wieder. Die Militärpräsenz in Polen und den baltischen Ländern soll deutlich verstärkt werden.
Es macht mir Angst, dieses Vertrauen auf Heer und Kraft. Zeigt sich nicht immer wieder: wo Waffen sind, da ist die Gefahr von deren Gebrauch sehr viel höher.

Heer und Kraft – Vertrauen darauf und Kräftemessen auch in Syrien. Jenem Land in dem gerade eben die Wiederwahl des Präsidenten stattgefunden hat. Unter welchen Bedingungen aber! Ein zerrissenes Land – und ein unsägliches Leiden der Menschen, die dort noch ausharren und jener, denen die Flucht gelungen ist und die nun in Flüchtlingslagern hausen. Oder die in unserem Land angekommen sind, oft genug misstrauisch beäugt, ungeliebt, störend.
Es sind die Auswirkungen menschlichen Vertrauens auf Heer und Kraft.

Auch der Blick in die Türkei lässt solches Vertrauen der Mächtigen im Umgang mit den eigenen Landsleuten unschwer erkennen. Andere Meinungen, kritische Nachfragen: sie werden unterdrückt, Kommunikationswege abgeschnitten.

Boko Haram in Kamerun: ein weiteres unsägliches Kapitel unter der Rubrik ‚Heer und Kraft’. Auch hier können wir nur ahnen, was dies etwa für die verschleppten Mädchen bedeutet, in die Hände jener Männer gefallen zu sein.

Und Sacharja, jener Prophet, der uns diese Worte überliefert hat, in der Zeit nach dem Babylonischen Exil. In jener Zeit in der seine Zeitgenossen wussten, was es bedeutet, sich auf eigene Kraft und auf das eigene Heer zu verlassen und dabei alles verloren zu haben: die vertraute Heimat zerstört, der Tempel am Boden, die vertrauten Menschen getötet, zerstreut.

Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, das meint militärische Stärke oder irgendeine andere Art von Macht abseits von Gott. Gottes Volk wurde wiederholt gesagt, es solle sich nicht auf militärische Stärke oder Bündnisse verlassen, damit es seine Berufung erfüllt.
Vielmehr soll der Geist Gottes wirken und die Menschen befähigen, Gottes Werk zu tun und Hindernisse zu überwinden.

Hier gelangen wir bei dem an, was Pfingsten bedeutet. Gottes Geist wirkt. Gottes Geist ist gegenwärtig. Daran erinnert uns das Pfingstfest.
Gottes Geist am Wirken? Gott gegenwärtig? Wird dies wirklich erlebbar? Ich meine schon.
Es gibt eine historische Fußnote darüber, wie es 1978 zum Friedensschluss zwischen Ägypten und Israel gekommen ist. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern.
Durch die Vermittlung des damaligen amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter trafen sich Menachem Begin und Anwar as-Sadat in Camp David am Kaminfeuer.
Das Eis zwischen ihnen sei gebrochen, als einer von beiden ein Foto seiner Enkelkinder hervorholte und dem anderen zeigte. Dann holte der andere ein Enkel-Foto hervor. Sie entdeckten, dass sie beide Großväter waren. Nun konnten sie einander begegnen, weil sie Ähnlichkeiten zwischen sich erkannten.
Der daraufhin ausgehandelte Friedensvertrag hält bis heute. In diesem Zusammenhang wird Sadat folgendes Zitat zugeschrieben: „Früher habe ich gedacht, dass achtzig Prozent des Konfliktes zwischen Israel und Ägypten Psychologie und zwanzig Prozent harte Fakten sind. Heute weiß ich, nur fünf Prozent sind Fakten und fünfundneunzig Prozent Psychologie“

Solche Sternstunden, die Menschen miteinander erleben, können unterschiedlich interpretiert werden. Manche reden von Psychologie, andere von glücklicher Fügung.
Wir können aber dieses Geschehen gewiss auch als Wirken des heiligen Geistes verstehen. Jenes Geistes, der die Verwirrung der Verständigung unter den Menschen aufzuheben vermag.

Ich bin überzeugt, dass es ganz viele Beispiele dafür gibt, wie Gottes Geist unter uns wirkt. Es sind dies aber Beispiele, die es in aller Regel nicht in die Nachrichtensendungen schaffen. Denn dort gilt: bad news are good news. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.
Es ist bekannt, dass Peter Hahne sich immer wieder darum bemüht hat, am Ende einer Nachrichtensendung auch eine solche gute Nachricht zu platzieren. Dann aber kam wieder noch eine schlechte Meldung, die unbedingt gebracht werden musste.

Heute aber soll in unserem Wochenschlussgottesdienst keine schlechte Nachricht am Schluss stehen, sondern eine gute Nachricht, die ermutigt.
Dieser Tage hatte meine Frau im Diakonissenkrankenhaus zu tun. Als sie über das Gelände ging, rief die Glocke zum Mittagesgebet. Meine Frau hatte noch Zeit und nahm an diesem Gebet teil. Am Ende des Mittagsgebets stand ein Mann – er mag Ende 30, Anfang 40 gewesen sein – auf und richtet einige Worte an die in der Kapelle Versammelten. Er sagte sinngemäß: „Ich bin nun fast sieben Wochen hier im Krankenhaus. Schwerkrank kam ich in dieses Haus. Aber nun geht es mir sehr viel besser und ich werde in Kürze entlassen werden. Ich habe spüren dürfen, welcher Geist in diesem Haus herrscht. Schätzen Sie die Kraft des Gebetes nicht gering. Bitte beten Sie weiter. Sie können nicht ahnen, welche Kraft Ihr Gebet hat.“

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.

Ich wünsche Ihnen und mir das Wirken dieses Geistes Gottes in unserem Leben, in unserem Werk Bethlehem, in diesem Haus und in unserer Gemeinde.
Und da Gottes Geist ja keine Grenzen kennt, wie wir Grenzen unserer Schaffenskräfte erleben müssen, wünsche ich – gewiss auch in Ihrer aller Sinne – unserer Stadt, unserem Land, unserer Welt dieses Wirken von Gottes Geist.
Amen.

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