Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 28. Juni 2014

Pfarrerin Annegret Lingenberg, Karlsruhe


Wochenspruch: Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken (Matth. 11, 28).

Matthäus 16, 13 – 19


Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

Peter und Paul sind die Beiden, derer am 29. Juni gedacht wird, der Jünger Petrus, von Jesus zu Lebzeiten selbst berufen, und Paulus, der vom Auferstandenen spät Berufene. Beide sollen der Legende nach am selben Tag und am selben Ort, nämlich in Rom, ums Leben gekommen sein, der eine gekreuzigt, der andere enthauptet. Aber dass man ausgerechnet am 29. Juni ihrer gedenkt, das hat einen interessanten anderen Grund: Der 29. Juni war im antiken Rom der Gedenktag der sagenhaften Stadtgründer Romulus und Remus. Und eben diesen Tag hat die junge Kirche „umfunktioniert“ zum Gedenktag der beiden Kirchengründer Petrus und Paulus. Es ist ein Beispiel dafür, wie die Kirche heilige Orte (Kirchen sind häufig über den Trümmern heidnischer Heiligtümer erbaut worden!) und heilige Zeiten des Heidentums sozusagen „getauft“ hat, ihre Erinnerung überdeckt hat mit Zeichen für den neuen christlichen Glauben.

Schon früh galten Petrus und Paulus als die beiden größten und wichtigsten Apostel und so hat man sie in Verbindung gebracht mit der Stadt Rom, dem Zentrum der damaligen Weltmacht. Sie galten und gelten als „Apostelfürsten“, die dann in einem Atemzug genannt und früh gemeinsam verehrt wurden. Ihre Weltwirkung, ihre grundlegende Bedeutung für die Kirche hat sehr schnell die Erinnerung an ihre Unterschiedlichkeit verblassen lassen, auch die Erinnerung an ihre zuzeiten heftigen Auseinandersetzungen, von denen sowohl Lukas in der Apostelgeschichte als auch Paulus selbst, z.B. im Galaterbrief, berichten.
Beide müssen sehr temperamentvoll gewesen sein, glühend durchdrungen von ihrem Auftrag.
Petrus, der Sprecher der Zwölf, der wie kein anderer dem Glauben an Jesus Christus in Wort und Tat Ausdruck verliehen hat, gelegentlich aber auch wie kein anderer versagt hat;
Paulus, der zunächst ein glühender Verfolger der jungen Christengemeinde war, Gefallen hatte am Tod des Stephanus, dann aber von einer Erscheinung des Auferstandenen bei Damaskus völlig aus seiner Bahn geworfen wurde und zu einem ebenso glühenden Anhänger und Missionar des neuen Glaubens wurde. Er zählte sich als „unzeitige Geburt“ zu den „Aposteln“, womit im engeren biblischen Sprachgebrauch eigentlich nur die unmittelbaren Auferstehungszeugen gemeint sind. Zu ihnen rechnete er sich aber nach dem Damaskus–Erlebnis.

Die Apostel spielten im Leben der jungen entstehenden Kirche eine wichtige, ja, die Schlüsselrolle. Sie legten mit ihrer Verkündigung, mit ihrem „authentischen“ Glaubenszeugnis gleichsam das Fundament, die Grundlage für das Haus „Kirche“. Deswegen gelten die Apostelgedenktage als Kirchenfeste (wie Pfingsten). Und deswegen ist die liturgische Farbe heute das pfingstliche Rot. Alle weitere Verkündigung durch die Jahrtausende bezieht sich auf das „Erstzeugnis“ durch die Apostel, von denen Petrus und Paulus vielleicht die größten sind. Deswegen nennen wir die Kirche noch heute „apostolisch“. Die Kirche hat noch immer nichts anderes zu verkündigen und weiterzugeben, als das, was die ersten Glaubenszeugen, die Apostel, erfahren hatten und was ihnen zur Gewissheit geworden war: Christus, der Sohn Gottes lebt! Das war der Inhalt der Pfingstpredigt des Petrus, und das ist der Inhalt aller Verkündigung des Paulus, mündlich und schriftlich.

Auf Petrus bezieht sich das Evangelium, das ich vorgelesen habe. Dieser Textabschnitt aus dem Matthäus–Evangelium macht eine grundlegende Aussage, die alles andere als uns selbstverständlich ist, die eigentlich höchst aufregend ist und die Petrus und Paulus im Kern verbinden:
Die Mitte unseres Glaubens ist Jesus Christus. Alle Schriften des NT kreisen um die Frage: Wer ist Jesus Christus?
An der Beantwortung dieser Frage hängt einfach alles, was unseren Glauben ausmacht. Und so stellt Jesus eben diese Frage: Was sagen die Leute – und dann, ganz direkt und für die Jünger ohne Ausweichmöglichkeit: Was sagt denn ihr, wer ich bin?
Was sagst du, was sage ich?
Und Petrus antwortet stellvertretend für sie und für uns alle – wir haben hier eins der ältesten Glaubensbekenntnisse vor uns! – „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“

Petrus formuliert damit eine Wahrheit über Jesus, die eben nicht am Tage liegt und die bis heute vielen Menschen verschlossen bleibt und die auch uns, gestehen wir es doch offen, bisweilen Mühe macht. Jesus ist eben nicht „nur“ Mensch, wenn auch ein ganz, ganz besonderer und vollkommener. Sondern Jesus ist eben auch Gott selbst. In der Begegnung mit Jesus begegnen wir Gott selbst. Jesus tritt auf mit der ganzen Vollmacht eines Sohnes, so wie der Juniorchef in einer Firma. In Jesus ist Gott selbst Mensch geworden.

Das ist mit unserem Verstand nicht zu begreifen. Wir können das auch keinem erklären, der‘s nicht glaubt. Auch uns selber nicht. Da muss etwas von Gott her an uns geschehen, damit wir das glauben, darauf vertrauen, uns daran festmachen im Leben und im Sterben. Denn darum geht‘s ja: Dass unser Glaube an den lebendigen, auferstandenen Herrn, der zur Rechten des Vaters sitzt und mit dem wir durch die Taufe verbunden sind, nicht nur unser irdisches Leben verändert, erfüllt, mit ewigem Licht bescheint. Sondern wir dürfen darauf vertrauen, dass wir auch im Sterben diese Verbindung nicht verlieren, dass wir dank Jesus schon einen Platz im Himmel haben und dass wir unsere Verstorbenen bei ihm wissen können.

Das ist der Kern unseres Glaubens. Und den verschafft uns nicht unser Nachdenken, unser Verstand. Den kann uns nur Gott selber schenken: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel“, sagt Jesus zu Petrus. Glauben ist ein geistliches Geschehen, geistgewirkt und ganz und gar geschenkt. Kurz gesagt: Ohne Gottes Geist in uns gibt es keinen Glauben! „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“, so schreibt es der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom!

Jesus hatte die Jünger gefragt nach ihrem Glauben, und einer hatte das Wort ergriffen als Repräsentant der Jünger. Dann darf man sich wohl den „Fels“, auf dem die Kirche steht, etwas breiter vorstellen, nämlich als einen „apostolischen“ Fels, ein apostolisches Fundament, zu dem all die gehören, die in der Zeit der Urkirche sozusagen die „Erstverkündiger“ des Evangeliums von der Auferstehung Jesu gewesen sind.
Im Matthäus–Evangelium heißt es in der Tat zwei Kapitel weiter hinten: (18,18) Wahrlich, ich sage euch (den Jüngern nämlich): Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein. Und im Epheserbrief werden „die Apostel und Propheten“ als der Grund bezeichnet, auf den Christus seine Kirche baut (Eph. 2,20). So ist es dann auch im Glaubensbekenntnis aufgenommen, das wir gemeinsam mit unseren katholischen Schwestern und Brüdern sprechen können: „Wir glauben die eine heilige allgemeine und apostolische Kirche“ – nicht etwa eine „petrinische“ oder eine „paulinische“. Paulus wendet sich im 1. Korintherbrief dagegen, dass Gemeindeglieder sich auf einen Verkündiger wie auf einen Parteigründer berufen. Er schärft seinen Leuten ein: Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus – und dieser wird verkündigt durch die Apostel und in ihrem Gefolge durch alle Verkündiger des Evangeliums bis auf den heutigen Tag.
So verschieden Petrus und Paulus gewesen sein mögen, darin waren sie einig und damit spielen beide für die Kirche eine „Schlüsselrolle“: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit!
Amen.

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