Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Predigten

Wochenschlussandacht am 28. Juli 2007

Pfarrer Theo Freyer, Karlsruhe

Matthäus 5, 13 – 16

„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz kraftlos wird, womit soll man’s salzen? Es ist zu nichts hinfort nütze, denn dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berg liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So soll euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen."

Unser Text ist zunächst ein Zuspruch, der zugleich aber auch mit einem Anspruch verbunden ist. Als erstes wird von Jesus seiner Gemeinde und uns eine grandiose Bedeutung zugemessen: „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!"

Das heißt nicht weniger als: Ihr seid dazu befähigt dafür zu sorgen, dass das Leben in eurem Umfeld und in der Gesellschaft nicht verdirbt, dass Ungehorsam, Ungerechtigkeit, Geiz, Hass und Streit nicht den Alltag und das Zusammenleben bestimmen und verderben.

Durch euch kann es in dieser Welt mit ihren Finsternissen hell werden. An  euch soll man sich orientieren können und sehen, was gut oder böse ist. Von euch her soll Versöhnung und Frieden kommen. Durch euch sollen die Menschen Nächstenliebe erfahren. Den Unterdrückten soll Gerechtigkeit widerfahren, die Hungrigen sollen satt werden und die Einsamen sollen einen Nächsten finden. Durch euch soll das Leben in dieser Welt erträglich werden.
Das alles traut uns Jesus zu, und das ist unendlich viel! Er traut es uns zu, nicht weil wir aus eigener Kraft so gute und tüchtige Leute wären, sondern weil er uns durch seinen Geist dazu befähigen will.
Dies also ist der Zuspruch des Jesuswortes. So wertgeachtet sind wir bei ihm!

Den Anspruch, der damit verbunden ist, unterstreicht auch der Wochenspruch aus dem Epheserbrief: „Lebt als Kinder des Lichts!“, damit die Früchte eures Lebens sichtbar werden: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Diese Mahnung ist nötig, weil man die großartige Berufung Jesu auch verfehlen kann. Christenleben kann fade und langweilig werden, wirkungslos wie Salz, das seine Salzkraft verloren hat, – ohne Attraktivität, weil Jesu Jüngerinnen und Jünger in exklusiven Zirkeln hinter geschlossenen Kirchentüren zusammen kommen, – sich in Nebensächlichkeiten verlieren, – ohne Ausstrahlung, weil sich viele verstecken, ihr Licht unter den Scheffel stellen und schweigen, wo einladende, mutige und wegweisende Worte Not täten.

Dahin sollte es nicht kommen, – vielmehr, sagt Jesus: wie ein Licht auf einem Leuchter den Hausbewohnern leuchtet, „so soll euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Wie ihr lebt und was ihr vorlebt, soll bei euren Mitmenschen dazu führen, dass sie nach eurem Glauben fragen, – dass sie Lust bekommen, auch zur Gemeinde Jesu Christi zu gehören.

Jesu Wort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt ist wie eine Losung für jeden neuen Tag – der Kirche und ihren Gliedern von ihrem Herrn mit auf den Weg durchs Leben gegeben, – die Losung für alle Lebensalter, für alle Situationen, die Menschen erleben können, und für alle Verantwortungsbereiche, in denen sich Menschenleben abspielen kann.

Ob Eltern oder Großeltern, ob Freundin oder Clubkollege, ob Mitarbeiter oder Nachbarin, ob in der Wirtschaft oder in der Politik, ob in der Medienwelt oder im kirchlichen Raum, ob im Berufsleben oder im Rentenalter, – ganz gleich wo wir unseren Standort haben: wir sind berufen, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, – so groß denkt Jesus auch von uns, von jeder und jedem einzelnen in diesem Haus! – und zugleich – das wissen wir nur zu genau – stehen wir in der Gefahr, dieses Zutrauen zu enttäuschen.

Sie, die Schwestern dieses Hauses, haben auf ihrem je eigenen Lebensweg ganz bewusst einmal die Richtung weisende Entscheidung getroffen und gesagt, in diese Lebens– und Arbeitsgemeinschaft der Schwestern des Mutterhauses Bethlehem will ich eintreten und hier in der Nachfolge Jesu mit der Kraft und mit den Fähigkeiten, die er gibt, Salz der Erde und Licht der Welt sein. Und sie sind dankbar für alles, was ihnen auf diesem Weg an Nächstenliebe bis auf diesen Tag gelungen ist.

Zu ihren ganz persönlichen Erfahrungen gehörte und gehört sicher aber auch die Tatsache, dass unser Licht nicht alle Tage gleich hell leuchtet, und dass es Tage gibt, an denen es tröstlich ist darauf vertrauen zu dürfen, dass unser Herr „den glimmenden Docht nicht auslöschen wird“, und dass er es noch heue den Seinen sagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“

Wir, die andern, die wir heute Abend diesen Text, dieses Losungswort fürs Leben, bedenken, wollten und wollen auch in der Gemeinschaft mit Jesus leben. Dabei mag es uns unterschiedlich ergangen sein. Manche haben irgendwann früher oder später in ihrem Leben ein Bekehrungserlebnis gehabt, das für sie zur Weichenstellung wurde. Andere, ich vermute die Mehrzahl, haben allmählich durch unterschiedliche Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen zum Glauben gefunden.

Ob jedem dabei bewusst geworden ist, dass mit dem Christsein dieser Zuspruch und Anspruch unlösbar verbunden ist, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, sei dahin gestellt. Ist der Glaube nicht Privatsache? Soll nicht jeder, wie es Friedrich der Große gesagt hat, nach seiner eigenen Facon selig werden?
Und schließlich lässt es sich als Christ doch viel ruhiger und bequemer leben, wenn man seinen Glauben für sich behält, sich in keine Auseinandersetzungen mit anderen hineinbegibt und im stillen Kämmerlein und in der Kirche unter Gleichgesinnten seine Frömmigkeit pflegt. Aber so hat sich Jesus das mit unserer Nachfolge nicht gedacht.

Eine bedenkenswerte Anekdote erzählt: „Es war einmal eine gläubige und fromme Frau, die Gott liebte. Jeden Morgen ging sie in die Kirche. Unterwegs riefen ihr die Kinder zu. Bettler sprachen sie an, aber sie war so in sich versunken, dass sie von all dem nichts wahrnahm.
Eines Tages ging sie wie immer die Straße hinab und erreichte gerade rechtzeitig zum Gottesdienst die Kirche. Sie drückte an der Tür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Sie versuchte es heftiger und fand die Tür verschlossen.
Der Gedanke, dass sie zum ersten Mal in all den Jahren den Gottesdienst versäumen würde, bedrückte sie. Ratlos blickte sie auf und sah genau vor ihrem Gesicht einen Zettel an der Tür. Darauf stand: „Ich bin hier draußen!“

Christus ist draußen vor den Kirchentüren bei den Mühseligen und Beladenen, bei den Verirrten und Suchenden, bei denen, die an ihrer Schuld oder irgendeiner Last schwer tragen. Darum ist Christsein keine Einzelveranstaltung, sondern ein Gemeinschaftserlebnis. Wenn der nahe und der ferne Nächste von unserem Glauben nichts mitbekommen, dann stimmt etwas nicht mit unserem Glauben.

Vielleicht denkt nun manche und mancher unter uns: Was kann ich in meinem Alter schon noch tun? Etwas, – und ich möchte behaupten: das Wichtigste – können wir alle tun, auch die ganz Kraftlosen: Wir können die Hände falten und Fürbitte leisten für die Menschen, um deren Befinden wir wissen, für die diakonische und missionarische Arbeit der Kirche und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Menschen, die in Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen, für unsere Jugend und alle, die mit ihrer Erziehung und Ausbildung beauftragt sind.
Ich muss diese Aufzählung nicht fortsetzen. Wer mit hörenden Ohren, mit sehenden Augen und einem mitfühlenden Herzen durchs Leben geht, der wird nicht lange nach Gebetsanliegen suchen müssen.

Zum Schluss noch dieses: Um in unserem Umfeld Salz der Erde und Licht der Welt sein zu können, sollten wir nicht zuletzt um Bewahrung vor einigen Gefahren, die ein Christenleben bedrohen, bitten:

* Wie leicht wird unter uns vergessen, dass die Liebe Gottes, von der wir leben dürfen, allen gilt, auch den Außenstehenden und den schwierigen Zeitgenossen und denen, über die wir uns so leicht moralisch erhaben fühlen. Gottes Liebe sucht sie alle, und vielleicht will er dabei gerade uns als seine Boten und Werkzeuge benützen.

* Wie leicht geraten wir in eine gottvergessene Geschäftigkeit und machen Betrieb in Gemeinden und kirchlichen Institutionen, Leerlauf aus dem kein neues Leben in der Volkskirche erwachsen kann, weil wir vergessen haben, dass Jesus gesagt hat: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“

* Und schließlich: wie leicht geraten wir in eine fromme Geschwätzigkeit, haben für jede Situation ein Bibelwort parat, halten das für Bekennermut und merken nicht, dass wir so auf unsere Gesprächspartner eher abstoßend als gewinnend wirken.

Albert Schweitzer wurde einmal gefragt, ob über seiner ärztlichen Tätigkeit in Lambarene das missionarische Wort nicht zu kurz komme? Da antwortete er, dass ihm für ein christliches Zeugnis der rechte Augenblick wichtig sei, und der sei für ihn vor allem dann gekommen, wenn er am Bett eines Kranken sitzt und der ihn fragt: „Doktor, warum machst du das alles für uns?“ In solchen Momenten könne er überzeugend das Evangelium von Jesus Christus weiter sagen.

Glaubwürdig sein in unserem Reden und Tun und so Ausstrahlung gewinnen. Dann werden wir zum Salz der Erde und zum Licht der Welt. Dazu will uns Christus ausrüsten, und um diese Ausrüstung dürfen wir ihn immer wieder von neuem bitten, – auch mit diesen Worten (von Sabine Naegeli):

„Herr, segne meine Hände,
dass sie behutsam sind, dass sie halten können, ohne zur Fessel zu werden, dass sie geben können ohne Berechnung, dass ihnen innewohnt die Kraft zu trösten und zu segnen.

Herr, segne meine Augen,
dass sie Bedürftigkeit wahrnehmen, dass sie das Unscheinbare nicht übersehen, dass sie hindurchschauen durch das Vordergründige, dass andere sich wohl fühlen können unter meinem Blick.

Herr, segne meine Ohren,
dass sie deine Stimme hören, dass sie hellhörig sind für die Stimme der Not, dass sie sich verschließen für den Lärm und das Geschwätz, dass sie das Unbequeme nicht überhören.

Herr segne meinen Mund,
dass er dich bezeugt, dass nichts von ihm ausgeht, was verletzt und zerstört, dass er heilende Worte spricht, dass er Anvertrautes bewahrt.

Herr, segne mein Herz,
dass es Wohnstatt ist deinem Geist, dass es Wärme schenkt und bergen kann, dass es reich ist an Verzeihung, dass es Leid und Freude teilen kann.

Lass mich dir verfügbar sein, mein Gott, mit allem, was ich habe und bin.“
Amen.

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