Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

UNSERE GESCHICHTE

Entstehung und Entwicklung

Wie überall in den Großstädten waren Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Karlsruhe die Folgen der Industrialisierung spürbar. Frauen- und Kinderarbeit führten dazu, dass die kleineren Kinder sich unversorgt auf der Straße tummelten.

Doch wie heute gab es auch damals die soziale Oberschicht. Hier hatten die Mütter die Möglichkeit, ihre Kinder wohlbehütet zu erziehen und ihnen umfassende Bildung zu ermöglichen.

In dieser Oberschicht gab es eine ganze Reihe vom christlichen Glauben motivierte Menschen, die die Not der Zeit wahrnahmen und ihr entgegen wirken wollten.

In Karlsruhe war es Frau Henriette Frommel (1801-1865), die letztlich die Initiative ergriff. Ihr lagen die herumstreunenden Arbeiterkinder ganz besonders auf dem Herzen, während es ihre eigenen Kinder so gut hatten. Ihr Mann war Professor an der Kunstschule und später Direktor an der Großherzoglichen Gemäldegalerie und damit hatte sie optimale Möglichkeiten der öffentlichen Wirksamkeit.

Interessiert wie sie daran war, der sozialen Not wirkungsvoll entgegenzutreten, hatte Frau Frommel schnell davon gehört, dass Pfarrer Theodor Fliedner in Kaiserswerth bereits 1836 ein solches Projekt begonnen hatte, wie es ihr vorschwebte. Mit seiner Idee und Erfahrung ging er auf die Reise durch die großen Städte Deutschlands, in die er eingeladen wurde, um von seinem Konzept zu berichten. Auch bei Frau Frommel war er eingeladen und nach seinem Besuch und seiner Beratung war ihr klar, was sie zu tun hatte.

1837 startete sie einen Aufruf im "Karlsruher Tages- und Intelligenzblatt" und suchte so nach Menschen, die sich mit ihr zusammen der Not annahmen. Das war revolutionär, aber wirksam und sie gelangte - trotz vieler Widerstände - zu ihrem Ziel, der Verwahrlosung der Kinder im Karlsruher Dörfle entgegen zu wirken.

Sie gründete ein überkonfessionelles Comitée, das die Verantwortung, Planung und Finanzierung - meist in Form von Spendenaufrufen und Sammelaktionen - ihrer Idee übernahm. So entstand im ärmsten Stadtviertel von Karlsruhe die erste "Kleinkinderbewahranstalt". Das Anliegen war, die Kinder zu betreuen und zu beschäftigen, sie damit aber gleichzeitig zu bilden und ihnen darüber hinaus eine warme Mahlzeit zu reichen.
Am 14. August 1837 begann schließlich die Arbeit mit den ersten 12 Kindern in einem Hinterhaus in der Spitalstraße.

Allerdings hatte Frau Frommel in ihrer Zeit nicht nur Anhänger, wie man gemeinhin annehmen sollte. Es gab durchaus Gegenstimmen, die befürchteten, dass ihre Intervention den Arbeiterfamilien geradezu ein Anreiz sein würde, noch mehr Kinder zu bekommen. Außerdem würden die Kinder verwöhnt und später nicht in der Lage sein, sich in ihrer Gesellschaftsschicht zurechtzufinden. Die Kinder würden durch frühe Bildung frühreif und außerdem würde man die Familien entzweien, wenn man die Kinder am Tag in eine andere, bewahrte Erlebniswelt holt.
Doch Frau Frommel und ihr Comitée ließen sich durch solcherlei Widerstände nicht beirren.

Von Anfang an war die Arbeit auf Expansion angelegt. Man hatte die Not der Zeit erkannt, man kam den Anfragen von verschiedenen Stadtteilen und ländlichen Regionen nach, Betreuerinnen anzulernen und bald war klar, dass für eine qualifizierten Tätigkeit eine fundierte Ausbildung notwendig ist.
So begann 1848 die Ausbildung und Entsendung von "Kleinkinderlehrerinnen".

Die damalige Zeit war bei weitem nicht so schnelllebig wie die heutige und dadurch dauerten Entwicklungen viel länger. So war es über 50 Jahre lang ein kontinuierliches Wachsen und Erweitern, wobei die einzelnen Hausmütter, die sich zum Teil mehrere Jahrzehnte dieser Aufgabe stellten, die sogenannte Anstalt zu einer geistlichen Heimat für die ausgesandten "Kinderschwestern" werden ließen.

Auch fachliche Handreichungen wurden von einer der Hausmütter verfasst.
Die Rundbriefe, die an die Schwestern verschickt wurden, enthielten über Informationen hinaus auch geistliche Impulse zur Stärkung und fachliche Anregungen zur Weiterbildung.

Das überkonfessionelle Comitée wurde im Lauf der Zeit ausgetauscht in ein rein evangelisches, da auch auf katholischer Seite entsprechende Einrichtungen gegründet wurden.

Erst 1906 fand die Entwicklung zum Mutterhaus für Kinderschwestern endlich auch in der neuen Benennung ihren Niederschlag.

Ab 1919 war Helene Zeller - Mutter Zeller genannt - die Leiterin des Werkes. In ihrer mehr als 30-jährigen Amtszeit geschah Umwälzendes, sicher erheblich mehr als in den 80 Jahren davor. Sie erkannte, dass es an der Zeit war, zivile Frauen für die Pädagogische Arbeit auszubilden und erreichte 1925 die Gründung des Evangelischen Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenseminars mit staatlicher Anerkennung. Für die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts war das eine ausgesprochen progressive Errungenschaft.
Außerdem wurde im Gleichzug das Mutterhaus für Kinderschwestern umbenannt in Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem für Kleinkinder-, Krankenpflege und Gemeindediakonie.

Die Bezeichnung zeigt die Ausweitung der Arbeit in diesen Jahren. Nicht mehr ausschließlich Kindergartenarbeit, sondern auch die Arbeit mit größeren und kleineren Kindern in Kinderkrippen, Kinderheimen, Schülerhorten, Kindererholungsheimen, Heimen für Mutter und Kind sowie auch Krankenpflege im Krankenhaus, im ambulanten Bereich und in Alten- und Pflegeheimen kam dazu. 
Eine pflegerische Ausbildung allerdings war nie ein Anliegen, denn die gab es ja im anderen Karlsruher Mutterhaus und viele Schwestern haben im Lauf der Jahre ihre Krankenpflegeausbildung in anderen Mutterhäusern gemacht.

Bethlehem - Brothaus - nannte man das Mutterhaus im Unterschied zu dem bereits bestehenden in Rüppurr und der Name sollte das Anliegen zum Ausdruck bringen, die betreuten Kinder auch mit der Weihnachtsbotschaft und mit dem Kind in der Krippe damals in Bethlehem bekannt zu machen.

Außerdem trat das Mutterhaus in diesem Jahr dem Kaiserswerther Verband bei, in dem sich bereits mehrere Diakonissenmutterhäuser zusammengeschlossen hatten.
Die Zugehörigkeit zu dieser Interessengemeinschaft erwies sich spätestens mit der Zeit des Dritten Reiches als ausgesprochen hilfreich und stärkend.

Noch 100 Jahre nach der Gründung, also im Jahr 1937, war es ein Kampf, die Kirchengemeinden davon zu überzeugen, dass das Mutterhaus gerne die Verantwortung für eine qualifizierte Ausbildung übernimmt, dass aber die Trägerschaft der Einrichtungen Sache der Kirchengemeinden sein muss. 1939 schließlich konnte man die Karlsruher Einrichtungen in die kirchliche Trägerschaft übergeben.

Ein ganz wesentlicher Einschnitt in Mutter Zellers Amtszeit war der Krieg, in dem unser Mutterhaus zweimal vollkommen zerstört wurde.
Dennoch ruhte die Ausbildungsarbeit nur zwei Jahre, von 1942 bis 1944.

Nach dem Krieg war Aufbau angesagt. Es war eine ungemein engagierte Generation, die nicht nur Aufbauarbeit leistete, sondern auch pädagogisches Denken vorantrieb.
Mutter Zeller war offensichtlich eine Persönlichkeit, die sowohl in die Zukunft denken und planen, als auch ihren Schwestern geistliche Leitung sein konnte. 1952, fast 70jährig, gab sie ihr Amt in jüngere Hände.

Die Aufbauarbeit ging weiter. Von der Karlsruher Kirchengemeinde wurde dem Mutterhaus das Gemeindehaus in der Blücherstrasse zur Verfügung gestellt. Allerdings mussten die Kriegsschäden beseitigt werden. Nach getaner Arbeit konnte das Haus 1947 eingeweiht und bezogen werden. In den folgenden Jahren weitete sich die Arbeit wieder schnell aus. Doch durch die Kriegswirren hatte sich die Schwesternschaft von ca. 350 auf nur noch 255 Schwestern reduziert. So konnte man den Anfragen aus den Gemeinden nach Schwestern für den Neuaufbau der Kindergartenarbeit nur schwer nachkommen. Umso mehr wuchs in dieser Zeit die Ausbildungsanfrage ziviler junger Mädchen.

Das Denken in die Zukunft musste also weitergehen. Während noch das Haus in der Blücherstrasse erweitert wurde, liefen schon die Planungen für einen Neubau in der Nordweststadt an. Dieser konnte schließlich 1968 bezogen werden.

Das war gerade die Zeit der 68er Revolution. Sie brachte im Bereich der Pädagogik das Bewusstsein für den Bildungsauftrag im Elementarbereich. Damit war die Erziehung des Kleinkindes im Kindergarten, die sich mehr als hundert Jahre in der Stille vollzogen hatte, in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Für die damalige Kindergärtnerinnengeneration war es zum Teil schockierend, ihre in Treue und Gewissenhaftigkeit und in der Verantwortung vor Gott getane Arbeit so in die öffentliche Diskussion gestellt und hinterfragt zu sehen. Heute ist klar, dass es hohe Zeit war, dass man sich auf Wissenschaftsebene und im Bereich des Kultusministeriums anfing Gedanken zu machen und das Thema Antiautoritäre Erziehung ist ausdiskutiert, obwohl es bei weitem nicht nur positive Spuren hinterlassen hat.
Im Zuge dieser Entwicklung wurde 1970 das Seminar umbenannt in Fachschule für Sozialpädagogik.
Seit Anfang haben die Lernenden während ihrer Ausbildung in der Einrichtung gewohnt und so war auch jetzt noch die Führung des Internats ein wesentlicher Teil unseres Werkes. Die Freizeit wurde teilweise gemeinsam gestaltet und dabei der Reichtum gemeinsamen Lebens erfahren.


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